Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers
bedeutete nicht, dass sie auch nur im Entferntesten bereit waren, darauf zu vertrauen.
Während des nervenzerfetzenden Marschs durch die Gänge und Treppenhäuser der Halle blieb einer von ihnen immer dicht hinter Mavere, bereit zu reagieren, sobald sie einem vorbeigehenden Wachsoldaten auch nur einen schiefen Blick zuwarf. Die anderen achteten ebenso wachsam darauf, ob einer der Wachsoldaten sie merkwürdig ansah. Selbst nachdem sie ihre und Maveres Pferde geholt hatten, führten sie die Tiere durch Mecepheums Straßen, um die Gildenmistress stets in Reichweite zu haben. Erst nachdem sie das Haupttor durchquert hatten, stiegen sie auf und ritten weiter. Und selbst dann sorgten Sie noch dafür, dass Salia immer in ihrer Mitte war.
Der schwache, aber stetige Herbstwind und der bewölkte Himmel hatten die Luft abgekühlt. Deshalb hatten sie, ohne Salia aus den Augen zu lassen, die Gelegenheit genutzt, ein paar Reisemäntel und Umhänge zu kaufen, bevor sie die Stadt verließen. Dabei hatte die Gildenmistress behauptet, der Ritt dauere nur ein paar Stunden. Einerseits hatten sie die Käufe zu ihrer eigenen Bequemlichkeit getätigt, hauptsächlich jedoch, damit Irrial unter dem Vorwand freundlicher Hilfe die Möglichkeit bekam, ihren unfreiwilligen Gast nach versteckten Waffen zu durchsuchen. Mehr als einmal hatte Corvis den Blick der Priesterin auf sich gespürt, und als er sich umblickte, hatte er nicht nur Wut und Furcht auf
ihrem Gesicht gesehen, die er erwartet hatte und die er sogar, das musste er zugeben, genoss, sondern auch eine seltsame Verwirrung.
Er hatte selbstverständlich nicht vor, sie zu fragen, was da nicht stimmte. Aber es gab ihm zu denken.
Während sie über eine kleine Landstraße ritten, die vom Herbstlaub in Rot und Gold getaucht war, beobachtete Corvis Jassion mit bissiger, feindseliger Neugier. Der Baron war gerade mit dem Verband um seinen Hals beschäftigt und versuchte zu verhindern, dass sich der Knoten in den Falten seines neuen mitternachtsblauen Umhangs verfing. Er fummelte daran herum, bog den Kopf hin und her, und Corvis konnte selbst von hinten erkennen, dass sich die Miene des Barons verfinsterte.
Vielleicht spürte er den fragenden Blick des älteren Mannes, jedenfalls zügelte Jassion sein Pferd und ließ sich ein paar Schritte zurückfallen. »Ich glaube nicht an Omen«, teilte der Adelige ihm mit, »aber ich muss zugeben, dass ich darüber nicht sonderlich erfreut bin.«
Corvis blickte auf und bemerkte, dass ihnen seit Mecepheum etliche Krähen gefolgt waren, die jetzt hoch oben über ihnen kreisten. Er dachte an die Vögel, die auf dem Dach der Halle der Zusammenkunft gehockt hatten, und runzelte nachdenklich die Stirn.
»Reite mit den anderen weiter«, sagte er unvermittelt und wendete sein Pferd. »Ich hole euch wieder ein.«
»Was? Wohin willst du?«
»Wahrscheinlich hat das alles nichts zu sagen. Du hast mich nur mit deinem Verfolgungswahn angesteckt. Ich will sichergehen, dass uns niemand folgt, und mich davon überzeugen, dass es Mavere nicht gelungen ist, irgendjemandem ein Zeichen zu geben.«
»Das ist ganz bestimmt wahnhaft«, erwiderte Jassion.
»Aber wahrscheinlich auch sehr klug«, räumte er dann ein und gab seinem Pferd die Sporen.
Corvis holte die anderen tatsächlich kurz darauf wieder ein und schloss zum Ende der Truppe auf.
»Irgendwas gefunden?«, rief Jassion über die Schulter zurück.
»Keine Gefahr«, antwortete Corvis und schlang seinen roten Umhang gegen die kühle Herbstluft enger um sich. »Wie du sagtest, es war nur ein Anfall von Verfolgungswahn.«
Irrial hätte den seltsamen Unterton in seiner Stimme vielleicht bemerkt oder registriert, dass er irgendwie aufrechter als zuvor im Sattel saß, aber sie ritt an der Spitze, gefolgt von Salia. Jassion kannte seinen verhassten Verbündeten nicht gut genug, als dass ihm eine Veränderung aufgefallen wäre. Daher nickte er nur, und die vier ritten weiter.
Über ihnen kreisten die Krähen noch eine ganze Weile, dann verschwanden sie, eine nach der anderen, vermutlich um eine lohnendere Umgebung aufzusuchen.
Mecepheum war sowohl Imphallions Hauptstadt als auch die reichste Gemeinde des Landes und zählte zu den Städten, die nicht zu wissen schienen, wann man aufhören musste. Wie die Reifröcke einer Adeligen erstreckten sich mehrere Viertel und Anwesen außerhalb ihrer Stadtmauern.
Am Rand einer Siedlung, die sich erdreistete, sich ebenfalls Mecepheum zu nennen, befand sich ein
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