Die Horde - Die Schlacht von Morthûl
deutete darauf hin, dass der Baum seit Jahrzehnten an dieser Stelle stand.
Was ihn zu seiner ursprünglichen Theorie zurückbrachte, so »dumm« sie auch sein mochte. Gork wandte sich ab und lief los, um zu den anderen aufzuschließen.
Die Sonne sank dem Horizont entgegen, und die Truppe näherte sich dem Herzen von Ymmeth Thewl, als Katim und Jhurpess die Präsenz eines Menschen witterten. Leises Zischen und einige knappe Handzeichen sorgten dafür, dass die Waffen gezückt wurden.
Gut zwanzig Meter entfernt stand der Mann, still wie eine Statue und auf einer Lichtung, die wie eine Insel aus Gras im Meer der Bäume wirkte. Er war kam mehr als ein Schatten in der sich verdichtenden Düsternis, und seine Haltung machte deutlich, dass er das Korps aufmerksam beobachtete. Cræosh und seine Gefährten schwärmten aus, soweit es die Bäume am Rand der Lichtung zuließen, bereit, sich zu verteidigen … Doch der Mann griff nicht etwa an, sondern hob die Hand und winkte sie näher.
»Beeilt euch!«, rief er, und seine Stimme hatte den Klang von Autorität. »Die Nacht beginnt!«
Cræosh, der die Menschensprache besser verstand als die meisten anderen Korps-Mitglieder, rief zurück: »Na und? Hast du Angst vor dem Dunkeln?« Vorsichtig verließen sie den Schutz der Bäume.
Der Mensch schüttelte den Kopf. Sie waren ihm jetzt nahe genug, um seine Mähne aus schulterlangem braunen Haar zu sehen, das einfache Gewand (das dem des Toten im Wald ähnelte) und, vielleicht am wichtigsten, das Entsetzen in seinem Gesicht. »Ich fürchte nicht die Dunkelheit, sondern die Bäume! Kommt schnell, bevor …« Trotz der Düsternis sahen sie, wie er den Blick hob und auf etwas starrte, das sich hinter und über ihnen befand. »Lauft!«
Natürlich liefen sie nicht, sondern drehten sich um, stolperten und wären fast gefallen. Große Gestalten ragten auf und schwankten vor dem blutroten Hintergrund der untergehenden Sonne. Äste und Zweige – zahllos, krumm und dürr – wanden sich wie sterbende Aale und wankten dem Korps entgegen, erstaunlich schnell getragen von Wurzeln, die sich in Beine verwandelten. Cræosh sah auch den Toten, der, von einer der Wurzeln durchbohrt, an diesem grässlichen Reigen teilnahm und zu zappeln schien, als sich der betreffende Baum der Lichtung näherte.
Das Korps lief. Cræosh und die anderen stürmten an den letzten Bäumen vorbei, die sie von dem Menschen auf der Lichtung trennten und gerade erst begonnen hatten, die ersten Zweige zu recken und zu strecken. Sie trugen Kratzer davon, vielleicht deshalb, weil sie einigen Ästen zu nahe kamen, oder weil die Bäume ihre Zweige nach ihnen ausstreckten und sie festzuhalten versuchten. Es kam einem kleinen Wunder gleich, dass niemand von ihnen stolperte und sich den Fuß verstauchte, als sie dem seltsamen Menschen folgten.
Der Mann lief ebenfalls, floh wie das Korps vor dem unheimlichen Wald. Zwar war es inzwischen so dunkel geworden, dass man kaum mehr etwas sehen konnte, aber die flinken, sicheren Bewegungen des Menschen machten deutlich, dass er genau wusste, wohin er den Fuß setzte. Cræosh beobachtete, wie er mit einem plötzlichen Platschen verschwand, und dann war das Korps dem Ziel nahe genug, um es zu erkennen.
In der Mitte dieser großen Lichtung teilte sich der Fluss namens Prekrän in zwei Arme, die etwa hundert Meter weit parallel zueinander verliefen und sich dann wieder vereinten. Auf der kleinen Insel, einem Hügel, der den Rest der Lichtung nur wenig überragte, stand ein Steinkreis, der fast genauso aussah wie der im Sumpf Jureb Nahl.
Fast. Dieser war in einem besseren Zustand – es fehlte nicht einer der horizontalen Blöcke. Und im Zentrum dieses Kreises befand sich ein kleines Gebäude aus Stein, offenbar das Ziel des Menschen, der bereits das andere Ufer erreicht hatte.
Katim schien zu zögern, als sie sich dem Flussarm näherten, der zwar schmal war, in dem das Wasser aber recht schnell floss. Die anderen liefen sofort hinein, und Belrotha hob Gork an seinem Gürtel hoch. Das Wasser reichte Cræosh nur bis zu den Achseln, was Katim zu beruhigen schien, denn innerhalb weniger Momente schloss sie zu ihm auf. Die Strömung erwies sich als sehr stark, aber es gelang dem Korps, auf den Beinen zu bleiben.
Als sie auf der anderen Seite das Ufer erreichten, stand der braunhaarige Mann vor der Tür, die sich fugenlos in die Wand des steinernen Gebäudes einfügte. Mit der einen Hand hielt er sie auf. »Beeilt euch!«, rief er und
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