Die Horde - Die Schlacht von Morthûl
gefährlichen Ton.
Cræosh erstickte fast an dem Wort, aber selbst er war nicht so stur. »Wartet, bitte .«
Der Magier lächelte. »Gern. Was ist dein Begehr?«
»Er wusste, dass wir kommen, nicht wahr?«
Havarrens Lächeln wurde breiter. »Er erfuhr in dem Augenblick von eurer Reise, als der Kiel eures Bootes das Wasser des Meeres der Tränen berührte. Er fand es kurios, dass es sein eigenes Dämonen-Korps für erforderlich hielt, heimlich in einem klapprigen Fischerboot übers Meer zu fahren. Deshalb erlaubte er euch, an Land zu gehen, anstatt seine Truppen anzuweisen, euch sofort zu versenken. Er sorgte auch dafür, dass ihr die Eiserne Burg erreichen und ungestört durch diese Flure gehen konntet. König Morthûl ist sehr neugierig auf die Geschichte, die ihr ihm zu erzählen habt. Wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet …«
Cræosh sah dem rätselhaften Zauberer nach und richtete den Blick dann widerstrebend auf die schwarze Tür. Er atmete tief durch, vermutlich in der Absicht, einen bissigen Kommentar abzugeben, doch dann öffnete sich vor ihm die Tür, von ganz allein.
»Man sollte meinen, dass sie diesen Trick allmählich satthaben«, flüsterte Gork, was ihm einen von Cræoshs verärgerten Blicken einbrachte. Dann straffte der Ork die Schultern und trat über Morthûls Schwelle.
Der große Raum verschluckte alle Geräusche, als sie über den onyxfarbenen Boden gingen. Ihre Schritte verursachten nur ein dumpfes, kaum hörbares Pochen, und selbst das Zischen ihrer Atemzüge schien aus weiter Ferne zu kommen. Wie die anderen betrachtete Cræosh die Käfige in den metallenen Wänden und fragte sich nach ihrem Zweck. Gimmol hingegen hielt den Blick gesenkt und bemerkte eine Bewegung unter dem angeblich massiven Boden.
Und dann erreichten sie ihn. Er saß an einem gewöhnlichen Schreibtisch, über ein großes Buch gebeugt, dessen Flecken und Risse von Jahrhunderten kündeten. Ein ledriger Finger kam langsam nach oben und blätterte um – kein Korps-Mitglied vermochte zu sagen, wo das Knarren des Pergaments aufhörte und das Knistern von vertrockneter Haut begann.
Nachdem der Leichenkönig die letzte Seite gelesen hatte, stand er auf.
Cræosh hatte in seinem Leben zahlreiche Tote gesehen. Er erinnerte sich an die Untoten im Sumpf von Jureb Nahl und an das Ungeziefer der schauderhaften Schwarmwesen in der Tundra. So scheußlich Morthûls Gesicht auch war, es hätte ihn nicht so schockieren sollen. Und doch steckte dem Ork plötzlich ein dicker Kloß im Hals. Sein Herz schlug so heftig, als wollte es ihm aus der Brust springen, und zum ersten Mal begriff er, warum Gimmol von der Vorstellung eines zweiten Geschöpfs dieser Art so entsetzt gewesen war. Als Cræosh den Blick des Leichenkönigs spürte, begann er sogar daran zu zweifeln, dass die Welt ein solches Wesen überleben konnte.
Morthûl schien die Gedanken des Orks ebenso mühelos zu lesen wie die Schrift in dem großen Buch, denn er lächelte wissend, wodurch die Haut der einen Gesichtshälfte in Bewegung geriet. Sie knarrte wie langsam brechendes Eis. »Ihr wollt mit mir reden, soweit ich weiß«, sagte Morthûl mit einer verzerrten Stimme, die umso schrecklicher klang, da sie einmal einem Menschen gehört hatte.
Cræosh öffnete den Mund, brachte aber keinen Ton hervor. Für einen Moment glotzte er wie ein Idiot, schloss den Mund dann wieder und versuchte, sich wenigstens ein bisschen Würde zu bewahren. Hinter ihm traten die anderen von einem Bein aufs andere. Niemand von ihnen schien bereit oder fähig zu sein, das Wort zu ergreifen, und Ärger erschien auf dem Gesicht des Leichenkönigs.
Schließlich war es Gork, der vortrat, um zu sprechen – nicht weil er sich weniger fürchtete als die anderen, sondern weil er mehr Angst davor hatte, König Morthûls Unwillen zu erregen. Wenn der Herr der Eisernen Burg beschloss, ihre Gedanken zu lesen, anstatt auf eine Antwort zu warten, würde er viel mehr erfahren, als dem Kobold lieb war.
»Euer-Euer Majestät«, stotterte Gork, »wir m-öchten tatsächlich mit Euch re-reden. Wir haben nämlich herausgefunden …«
Der Leichenkönig hob die Hand, und Gork verschluckte sich fast an den eigenen Worten. »Ich bin zu beschäftigt gewesen, um eure Aktivitäten genau um Auge zu behalten«, teilte ihnen der Dunkle Lord mit. »Was vielleicht ein Fehler war. Erzählt mir alles von Anfang an. Beginnt mit eurer Ankunft im Unheimlichen Schloss.«
Und so erzählte Gork alles von Anfang an. Abgesehen
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