Die Hornisse
Schreibpapier, Adreßbuch, Pfefferminzbonbons, Feuchtkondome der Marke >Trojan<, Schuhe, Socken und Jockey Shorts.
»Sind wir sicher, daß es der Senator ist?« brachte Brazil schließlich hervor.
Hammer sah ihn erschrocken an. »Nicht sicher genug, daß Sie es schon veröffentlichen könnten.«
»In Ordnung«, sagte er. »Solange Sie es nicht jemand anderem vor mir sagen.«
»Auf keinen Fall. Sie werden korrekt sein, und ich auch.« Dann sagte sie, was sie immer sagte. »Rufen Sie mich morgen nachmittag um fünf an, dann bekommen Sie Ihre Erklärung.« Sie verließ den Tatort. Er sah ihr nach, wie sie sich unter dem Absperrband hindurchbückte und sich unter dem Flackern des Blaulichts in die Nacht entfernte. Fernsehteams, Radioreporter und Horden von Zeitungsberichterstattern stürzten sich wie ein Schwarm Barrakudas auf sie. Sie winkte ab und stieg in ihren Dienstwagen. Aufmerksam nahm Brazil noch einmal jede Einzelheit in sich auf. Etwas verwirrte ihn, und er wußte nicht, was es war. Er ging zu der Stelle, wo der Senator getötet worden war. Raines und seine Kollegen rollten den Toten zum Krankenwagen. Ein Abschlepp- und Bergungsfahrzeug, laut Aufkleber 24 Stunden dienstbereit, rollte heran, um den Maxima zum Police Department zu transportieren.
Die Ambulanz setzte zurück, der Warnton des Rückwärtsgangs piepte, dann machte sie sich unter den Augen zahlloser Kameras mit dem toten Senator auf den Weg zur Leichenhalle. Brent Webb warf einen neidischen Blick auf Brazil. Es war nicht fair, daß Brazil in den Genuß einer solchen Sonderbehandlung kam und sich mit seiner Taschenlampe direkt am Tatort aufhalten durfte, als gehöre er dazu. Webb wußte: Brazils Privilegien, seine glückliche Hand in diesen Dingen, all das würde nur allzubald ein Ende haben. Der Fernsehreporter strich seine ohnehin perfekte Frisur glatt und tat etwas Pomade auf die Lippen. Dann blickte er mit ernstem Gesicht in die Kamera und setzte die Welt von den jüngsten tragischen Ereignissen in Kenntnis. In diesem Moment fuhr mit lautem Rattern ein Zug der Norfolk-Southern vorüber.
Kapitel 16
Brazils Lampe glitt rostige Schienen entlang über Schotter und Unkraut, als der letzte Waggon laut durch die heiße, schwarze Nacht rumpelte. Gerinnendes Blut glitzerte dunkelrot in dem starken Strahl. Neben einem rotverfärbten Waschlappen lagen blutverschmierte Münzen. Sie mußten dem ermordeten Senator aus der Tasche gefallen sein, als man ihm die Hose runtergezogen hatte. Blutige Schädelfragmente und Teile des Gehirns klebten im Kies. Brazil atmete tief durch. Sein Blick folgte den Gleisen. Im Hintergrund leuchtete die mächtige Skyline der Stadt. Seth dachte an Blut und herausquellende Eingeweide und genoß die Vorstellung der Reaktion seines Ehechefs, wenn sie ihn so auf seinem Bett fand. Er setzte sich auf und trank einen Schluck Bier. Der .38er lag in seinem Schoß. Er konnte den Blick nicht von der Waffe wenden. In der Trommel steckte eine einzige Patrone, eine Remington +P. Seit Stunden hatte er die Trommel immer wieder rotieren lassen und sein Glück auf die Probe gestellt. Dazu hatte er sich Wiederholungen von »Friends«, »Mary Tyler Moore« und anderen Serien angesehen. Aber das Glück schien ihm nicht hold zu sein. Er hatte nämlich schon an die hundert >trockene< Versuche hinter sich, und hätte bisher nur zweimal erfolgreich Selbstmord begangen. Wie war das möglich? Widersprach das nicht dem Gesetz der Wahrscheinlichkeit? Nach seiner Berechnung hätte es mindestens zwanzigmal tödlich ausgehen müssen. Es war ein fünfschüssiger Revolver, und einhundert geteilt durch fünf ergab zwanzig. Aber in Mathematik war Seth nie gut gewesen. Im Grunde war er in nichts jemals wirklich gut gewesen. Ohne ihn würden sie alle besser zurechtkommen, seine Versager von Söhnen und seine vermännlichte Frau eingeschlossen. Sie hätte den größten Nutzen davon, ins Zimmer zu kommen, ihn zusammengesunken im Bett vorzufinden, mit einem Kopfschuß durchs Kissen, und überall Blut. Schluß, aus, Ende der Geschichte. Er wäre für niemanden mehr ein Problem. Nie mehr würde sie sich mit dem Fettsack Seth irgendwo zeigen und schämen müssen, während viel jüngere Männer ihr interessierte Blicke zuwarfen. Seth würde es ihr zeigen. Eine Extra-Inszenierung für Sie. Sollte doch dieses letzte Kapitel sie, die große Nummer, für den Rest ihrer Tage verfolgen.
Hammer war sich ziemlich sicher: Das würde er nie fertigbringen. Als sie den vermißten
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