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Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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    Das Carolina Medical Center war berühmt für seine Unfallchirurgie. Patienten wurden aus der ganzen Region eingeflogen. An diesem frühen Morgen standen die Helikopter ruhig wartend auf den Flachdächern des Centers, jeder auf seinem roten Feld mit dem großen weißen H. Ihre Silhouetten hoben sich gegen den Himmel ab. Shuttlebusse pendelten langsam zwischen Parkplätzen und den einzelnen Gebäuden des ausgedehnten Betonkomplexes. Die Krankenwagen des Medical Center waren grün und weiß lackiert, den Farben der Hornets und all dessen, was Charlotte so mit Stolz erfüllte.
    Beim Personal hatte sich bereits herumgesprochen, daß eine wichtige Persönlichkeit eingeliefert worden war. Für so eine gab es keine Wartezeiten, kein Herumliegen oder sitzen mit unversorgten Wunden. Schwestern oder Ärzte übten nicht ihre Einschüchterungsrituale aus, nichts wurde übersehen oder für unwichtig gehalten. Seth Hammer - unter dem Namen hatte man ihn aufgenommen, und so hatte er fast während seiner ganzen Ehe geheißen, obgleich es nicht korrekt war - wurde direkt in die Notaufnahme gebracht und dann von Raum zu Raum gerollt. Vom Fachjargon der Chirurgin verstand er wenig, doch immerhin soviel, daß die Kugel trotz der nicht unerheblichen Zerstörung von Gewebe kein größeres Blutgefäß getroffen habe. Dennoch, schließlich war er eine V.I.P. wolle man keinerlei Risiko eingehen. Daher werde man ihm eine größere Menge Kontrastmittel injizieren und eine Arteriographie vornehmen. Anschließend bekäme er einen Bariumsulfat-Einlauf. Kurz vor vier Uhr morgens ließ Hammer ihren Wagen auf einem Polizeistellplatz vor der Notaufnahme stehen. Brazil hatte inzwischen zwanzig Seiten vollgeschrieben und wußte jetzt mehr von ihr als je ein Reporter zuvor. Sie nahm ihre große Aktentasche mit dem Geheimfach zur Hand, atmete tief durch und stieg aus. Brazil zögerte mit seiner nächsten Frage, aber er mußte sie stellen. Es war ja auch zu ihrem Besten.
    »Chief Hammer.« Noch einmal zögerte er. »Könnte ich wohl einen Fotografen kommen lassen, der dann ein paar Aufnahmen von Ihnen macht, wenn Sie das Krankenhaus wieder verlassen?« Sie machte eine abwinkende Geste, während sie ging, und rief ihm zu: »Ist mir egal.«
    Je länger sie darüber nachdachte, desto klarer wurde ihr, daß es ohnehin gleichgültig war, was er schrieb. Ihr Leben war zu Ende. Im Laufe eines einzigen kurzen Tages war alles in sich zusammengebrochen. Ein Senator war das fünfte Opfer eines brutalen Serienmörders geworden, und die Polizei war der Ergreifung des Täters um keinen Schritt nähergekommen. Die US Bank, die eigentliche Eigentümerin der Stadt, stand mit ihr auf Kriegsfuß. Und nun hatte sich ihr Ehemann bei einem Spielchen Russisches Roulette auch noch in den Arsch geschossen. Man würde endlos Witze darüber reißen, sich fragen, an welcher Stelle er eigentlich seine lebenswichtigsten Organe vermutet hatte? Hammer würde ihren Job verlieren. Na, und? Was machten da noch ein paar Fotos beim Verlassen des Krankenhauses? Brazil war zu einem Münztelefon gelaufen und eilte dann hinter ihr her.
    »Wir müssen auch noch den Schwarze-Witwen-Bericht bringen, sobald die Identität des Opfers bestätigt ist«, erinnerte er sie aufgeregt. Auch das war ihr egal.
    Also versuchte er weiter sein Glück. »Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich ein paar Einzelheiten, eine oder zwei vielleicht, einfließen ließe, die den Mörder vielleicht herausfordern könnten?«
    »Wie bitte?« Hammer sah ihn verständnislos an.
    »Ihn ein bißchen aus der Reserve locken, wissen Sie. Na ja, Deputy Chief West hielt das auch für keine so gute Idee«, gab er zu. Hammer dagegen nahm seine Idee interessiert auf.
    »Solange Sie keine sensiblen Einzelheiten zum Fall preisgeben, meinetwegen.«
    Ihr Blick fiel auf die Schwester am Empfang in ihrem Glaskasten. Hammer ging auf sie zu. Vorstellen mußte sie sich nicht. »Er wird gerade in den OP gebracht«, sagte die Schwester zum Police Chief. »Möchten Sie warten?«
    »Ja«, gab Hammer zur Antwort.
    »Falls Sie etwas Ruhe möchten, haben wir hier einen separaten Raum, der sonst vom Krankenhausgeistlichen benutzt wird«, sagte die Schwester, für die diese Frau eine ihrer Heldinnen war. »Ich werde mich dorthin setzen, wo alle anderen auch warten«, sagte Hammer. »Vielleicht braucht ja jemand den Raum.« Das hoffte die Schwester nun nicht gerade. Während der letzten vierundzwanzig Stunden hatte es keinen Todesfall gegeben, und sie

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