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Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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einem Ort verstecken konnte, wo sie sie nicht finden würde. Noch schlimmer: Seth war, vom Alkohol benebelt, in einer Position weggedämmert, die seine rechte Hand hatte einschlafen lassen. Sie war betäubt und kribbelte, und der Griff nach der Waffe zwischen seinen Beinen hatte sich als großer Fehler erwiesen. Zu seinem Pech geriet gerade diesesmal die Patrone vor den Lauf, und gerade jetzt paßte das am wenigsten in seinen Plan.
    »Die linke Gesäßhälfte«, erklärte Hammer. Beide gingen ins Haus, schließlich konnte Hammer nicht die ganze Nacht die Tür offen stehen lassen. Brazils Blick wanderte durch den Raum. Glänzend polierter Parkettboden, Orientteppiche in leuchtenden Farben, an den Wänden wertvolle Ölgemälde. Behagliche Sitzmöbel mit Stoffbezügen in warmen Farben oder aus kostbarem Leder. Chief Hammers Heim war perfekt. Sie standen in der Diele. Außer ihnen war niemand im Haus. Erneut brach ihm heftig der Schweiß aus. Hoffentlich bemerkte sie es nicht, denn dann würde sie sicher nicht weiter mit ihm reden.
    »Natürlich muß er geröntgt werden«, fuhr sie fort. »Wir müssen sichergehen, daß die Kugel nicht in der Nähe eines wichtigen Gefäßes oder eines Nervs steckt.«
    Diese +P-Hohlspitzgeschosse haben eine fatale Wirkung, dachte Hammer. Sie sind so konzipiert, daß das Bleiprojektil nach dem Eindringen explodiert und sich wie eine Fräse in das Gewebe frißt. Nur selten traten diese Projektile wieder aus, und es war schwer zu sagen, was die Bleipartikel in Seths ausgeprägter unterer Region angerichtet hatten. Brazil hörte zu und fragte sich, ob der Chief sich wohl dazu durchringen konnte, die Polizei zu rufen. »Chief Hammer«, meinte er schließlich fragen zu müssen, »vermutlich haben Sie den Vorfall noch gar nicht gemeldet?«
    »Du lieber Himmel.« Der Gedanke war ihr tatsächlich noch nicht gekommen. »Sie haben völlig recht. Da muß wohl ein Protokoll aufgenommen werden.« Mit voller Wucht hatte die Wirklichkeit sie eingeholt. Nervös lief sie auf und ab. »Oh, nein. Das hat mir gerade noch gefehlt! Das heißt, ich werde mir das jetzt im Fernsehen und im Radio anhören müssen. Auch in Ihrer Zeitung wird es stehen. Wie furchtbar. Ist Ihnen klar, wie viele Menschen sich darüber ins Fäustchen lachen werden?« Sie stellte sich den grinsenden Cahoon bei der Lektüre da oben in seiner lächerlichen Krone vor.
    EHEMANN VON POLICE CHIEF FÜGT SICH SCHUSSVERLETZUNG ZU
    Vermutlich bei Russischem Roulette Niemand würde sich etwas vormachen lassen, keine Sekunde lang. Ein depressiver, übergewichtiger Ehemann ohne Beruf, mit einem nur mit einer Patrone geladenen .38er Revolver seiner Frau im Bett?
    Jeder von Hammers Untergebenen wurde es wissen wollen, daß ihr Mann mit dem Gedanken an Selbstmord gespielt. Schließlich waren Hammers ernste familiäre Probleme allgemein bekannt. Vielleicht kam jemand sogar auf den Gedanken, sie könnte ihren Mann angeschossen haben. Wer wußte schon genauer als sie, wie man da wieder herauskam? Vielleicht hatte sie gar nicht auf die linke Gesäßhälfte zielen wollen, und er hatte sich nur in letzter Sekunde weggedreht. Hammer ging in die Küche und griff nach dem Telefon. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als die 911 zu wählen, wenn so auch jeder Cop, jeder Ambulanzfahrer oder Reporter von dem Vorfall erführe, praktisch alle, die einen Scanner hatten und den Polizeifunk hören konnten. In der Zentrale meldete sich der Captain vom Dienst. Das war zufällig Horgess. Er war Hammer zwar unerschütterlich ergeben, allerdings nicht gerade für schnelle Auffassungsgabe oder brillante Schlußfolgerungen bekannt. »Horgess«, sagte sie. »Schicken Sie möglichst umgehend einen Officer zur Protokollaufnahme zu mir nach Hause. Es hat einen Unfall gegeben.«
    »Oh, nein!« Horgess war entsetzt. Sollte seinem Boß jemals etwas zustoßen, wäre Goode seine direkte Vorgesetzte. »Ist Ihnen etwas passiert?«
    Sie ging noch immer auf und ab. »Mein Mann ist ins Carolinas Medical Center eingeliefert worden. Leider hatte er einen Unfall mit einer Handfeuerwaffe. Es müßte ihm aber relativ gut gehen.« Direkt vor Horgess stand das Funkgerät. Horgess meldete sich sofort unter Code Zehnfünf bei der Einheit 538 im Bezirk David One. Damit bekam den Einsatz eine Anfängerin zugeteilt, die zu ängs tlich war, um jemals etwas anderes zu tun, als das, was man ihr sagte. Daß Horgess gleich durchgab, was er wußte, war im Grunde korrekt, aber er hatte eben nicht begriffen,

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