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Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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wünschte sich, daß das bis zum nächsten Schichtwechsel auch so blieb. Schwestern hatten in solchen Situationen immer den schwarzen Peter. Die Arzte suchten das Weite und widmeten sich der nächsten Tragödie, und es war an den Schwestern, Kanülen und Schläuche zu entfernen, Namensschilder an Zehen zu befestigen und die Toten zur Leichenhalle zu fahren. Zudem hatten sie sich um die Hinterbliebenen zu kümmern, die nie an den Tod ihres Angehörigen glauben wollten und oft genug plötzlich dem Krankenhaus die Schuld gaben. In einer Ecke des Anmeldebereichs entdeckte Hammer zwei freie Stühle. Rundherum warteten wohl zwanzig verzweifelte Menschen. Die meisten von ihnen in Begleitung, und alle mußten beruhigt werden. Einige suchten aufgebracht Streit, andere jammerten, preßten Handtücher auf blutende Wunden, stützten gebrochene Gliedmaßen oder kühlten Verbrennungen mit Eis. Fast alle weinten oder humpelten zum Waschraum, um einen Pappbecher Wasser zu trinken oder eine nächste Welle von Übelkeit zu bekämpfen.
    Hammer sah sich um. Was sie sah, tat ihr weh. Deswegen hatte sie ihren Beruf gewählt, beziehungsweise er sie. Die Welt brach auseinander, und sie wollte helfen, das zu verhindern. Ihr Blick fiel auf einen jungen Mann, der sie an ihren Sohn Randy erinnerte. Er saß allein fünf Stühle weiter, litt unter hohem Fieber und Schüttelfrost, und das Atmen schien ihm schwerzufallen. Hammer sah seine Ohrringe, seine hageren Gesichtszüge und wußte sofort, was ihm fehlte.
    Er hatte die Augen geschlossen und leckte sich über die rissigen Lippen. Es schien, als säßen alle, besonders die mit offenen Wunden, soweit wie möglich von ihm entfernt. Hammer stand auf. Brazil sah ihr nach.
    Die Schwester am Empfang lächelte. »Was kann ich für Sie tun?« fragte sie Hammer.
    »Wer ist der junge Mann da drüben?« fragte Hammer zurück und deutete in seine Richtung.
    »Er hat eine Atemwegsinfektion«, antwortete die Schwester jetzt förmlich. »Seinen Namen darf ich Ihnen nicht nennen.«
    »Den erfahre ich auch von ihm selbst«, erwiderte Hammer »Ich brauche ein großes Glas Wasser mit viel Eis und eine Decke. Wann wird einer Ihrer Leute ihn sich ansehen? Er scheint einer Ohnmacht nahe. Wenn es dazu kommt, werde ich es erfahren.« Kurz darauf kehrte Hammer mit dem Wasser und einer weichen Decke über dem Arm in den Warteraum zurück. Sie setzte sich neben den jungen Mann und legte die Decke um seine Schultern. Als sie etwas an seine Lippen hielt, öffnete er die Augen. Es war eiskalt und köstlich. Eine angenehme Wärme durchströmte ihn, das Zittern ließ nach, und sein fiebriger Blick ruhte auf einem Engel. Harrel Woods war tot gewesen, und nun kam die Erlösung mit einem Schluck vom Wasser des Lebens.
    »Wie heißen Sie?« hörte er den Engel von weither fragen. Woods wollte lächeln, doch bei dem Versuch sprangen seine Lippen auf und bluteten.
    »Haben Sie Ihren Führerschein bei sich?« wollte der Engel wissen. Verschwommen registrierte er, daß heutzutage sogar im Himmel nach einem Lichtbildausweis gefragt wurde. Mit schwacher Hand zog er den Reißverschluß seiner Gürteltasche aus schwarzem Leder auf und reichte dem Engel den Führerschein. Hammer notierte sich die Angaben für den Fall, daß er eine Unterkunft brauchte falls er jemals wieder hier herauskam, was wenig wahrscheinlich war. Zwei Schwestern gingen zielstrebig auf Harrel Woods zu und begleiteten ihn auf die Station für AIDS-Patienten. Hammer kehrte zu ihrem Stuhl zurück. Ob es wohl irgendwo einen Kaffeeautomaten gab? Sie ließ sich noch etwas darüber aus, was es für sie bedeutete, Menschen zu helfen. Sie erzählte Brazil, daß, als sie jung war, es im Leben für sie nichts anderes gegeben hätte.
    »Leider ist die Arbeit der Polizei heute Teil des Problems«, sagte sie. »Wie oft helfen wir denn wirklich?«
    »Sie haben es gerade getan«, sagte Brazil.
    Sie nickte. »Aber das war keine Polizeiarbeit, Andy. Das war Menschlichkeit. Und es ist unsere Aufgabe, das, was wir tun, wieder mit dieser Menschlichkeit zu füllen. Anderenfalls bleibt keine Hoffnung. Hier geht es nicht um Politik oder Macht oder Verstöße gegen die Ordnung. Die Aufgabe der Polizei hatte immer das Ziel - und das muß auch so bleiben - zu bewirken, daß wir alle miteinander auskommen und uns gegenseitig helfen. Wir sind ein einziges Ganzes.«
    Seth lag im OP und hatte große Schmerzen. Sein Arteriogramm war in Ordnung, und auch sein Darm wies keine Perforation auf, durch

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