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Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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etwas nie wieder mit ansehen oder davon hören«, sagte West leise, was in Brazils Ohren besonders bedrohlich klang. West stand jetzt so dicht vor ihm, daß sie seine Bartstoppeln einzeln erkennen konnte und das dichte Netz von geplatzten Adern. Die rührten sicher von Smiths Aktivitäten außerhalb der Dienstzeit her. Sein Blick hatte etwas Totes, der Körper mußte schon seit Jahren ausgepumpt und leer sein.
    »Unsere Aufgabe hier draußen ist es zu helfen, nicht jemandem weh zu tun«, zischte West. »Haben Sie das vergessen? Und das gilt genau so für Sie«, fügte sie mit einem Blick zu seinem Partner hinzu.
    Beide Cops hatten nicht die geringste Ahnung, wer der Junge in Begleitung des Deputy Chiefs war. Sie saßen in ihrem Dienstwagen mit dem Hornissennest auf beiden Türen und blickten dem mitternachtsblauen Crown Victoria nach. Ihre Gefangene schnarchte leise.
    »Vielleicht hat unsere eiserne Jungfrau schließlich doch noch einen Freund gefunden«, sagte Smith und wickelte zwei Kaugummis aus. »Ja«, sagte der andere gedehnt, »wenn sie das junge Gemüse dann leid ist, würde ich ihr schon gern einmal zeigen, was ein richtiger Mann ist.«
    Sie lachten und fuhren los. Wenige Augenblicke später spuckte das Funkgerät die nächste schlechte Nachricht aus.
    »Beatties Ford Road, Block dreizehnhundert«, hieß es. »Geiselnahme eines Krankenwagens. Der Geiselnehmer ist mit einem Messer bewaffnet.«
    »Zum Glück sind wir ja hier gebunden«, sagte Smith und schmeckte den Zimt in seinem Kaugummi.
    Es war Wests Pech, daß Jerome Swan einen unschönen Abend verbracht hatte. Angefangen hatte er irgendwann eine gute Stunde bevor die Sonne über diesem heruntergekommenen Stadtviertel unterging. Die Gegend hieß allgemein das »Basin« und lag ein Stück von der Tryon Street entfernt, nicht weit von dem Hundeheim, in dessen Nähe ihr letztes Ziel gelegen hatte. Mit dem Funkspruch war sie nun wirklich in eine Falle geraten. Zwei Streifenwagen waren schon da, als nächster erschien Captain Jennings, begleitet von Stadtrat Hugh Bledsoe.
    »So ein Mist«, sagte West, als sie dazustießen. »So eine Scheiße.« Sie stellte den Wagen am Rand der engen und dunklen Straße ab. »Sehen Sie den großen Mann, der gerade aussteigt, den mit dem Anzug? Wissen Sie, wer das ist?«
    Brazil hatte die Hand schon am Türgriff, besann sich dann allerdings eines Besseren.
    »Das weiß ich sehr wohl«, sagte er. »Hugh Bedsore.« West warf ihm einen erstaunten Blick zu. Die Cops hatten tatsächlich einen Spitznamen für ihren Stadtrat. Bedsore hieß soviel wie Bettgeschwür. Aber wie konnte Brazil davon erfahren haben? »Ich will keinen Mucks von Ihnen hören«, warnte sie und öffnete die Tür. »Kommen Sie mir nicht in die Quere.« Sie stieg aus. »Und fassen Sie nichts an.«
    Der Krankenwagen stand mit laufendem Motor mitten auf der Fahrbahn, die Hecktür weit offen. Erhellt wurde die Szene vom blitzenden Blaulicht der Streifenwagen. Die Männer hatten sich auf Höhe des Hinterrads versammelt und berieten über das weitere Vorgehen. West ging um das Heck des Fahrzeugs, um sich selbst ein Bild von der Situation zu machen. Brazil blieb ihr dicht auf den Fersen. Allzugern wäre er vorausgegangen. Swan hatte sich im Inneren bis ans hintere Ende zurückgezogen und fuchtelte mit einer chirurgischen Schere herum. Seine gelblichen Augäpfel waren blutunterlaufen. Sie blickten die Polizistin wütend an, als sie in seinem Gesichtsfeld erschien.
    Er hatte Beulen am Kopf und blutete aus Wunden, die er sich bei einer Schlägerei in einer Spielhalle zugezogen hatte. Er hatte gespielt und sich ein paar Gläser »Nachtexpress«, wie dieser billige Fusel hieß, genehmigt. Als man ihn in den Krankenwagen verfrachtete, beschloß er, daß er nicht die geringste Lust hatte, irgendwohin zu fahren. In solchen Momenten tat er das Nächstliegendste. Diesmal hatte er sich den erstbesten gefährlichen Gegenstand gegriffen und die Sanitäter angeschrien, er habe Aids und werde jeden, der ihm zu nahe käme, mit der Schere abstechen. Sie waren aus dem Wagen gesprungen und hatten die Polizei gerufen. Alle Cops waren Männer, bis auf die da mit den großen Titten, die zu ihm hereinsah, als wollte sie was von ihm.
    Für West war die Situation ganz einfach. Der Täter hatte eine Hand am Griff der Seitentür. Er konnte nur überwältigt werden, wenn jemand zu ihm in den Wagen stieg. Dazu brauchte es keine große Strategie. West ging zu der Beamtenrunde, die noch immer an

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