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Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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der Flaschengeist? Nein. Himmel, so etwas passierte ihr immer häufiger. »Ich brauche ein Krankenhaus«, jammerte der Mann in seinem Honda. »Mir tut der Nacken weh.«
    »Der lügt doch wie gedruckt«, sagte Mrs. Purvis zu dem Cop und wunderte sich, daß eine Trillerpfeife offenbar sein einziges Requisit war. Wenn er nun in eine Schießerei geriet?
    Deputy Chief West war selten mit der Verkehrspolizei unterwegs und konnte ihre Arbeit daher auch nicht oft begutachten. An jenem Abend allerdings ritt es sie. Sie holperte gerade im Bezirk »David Eins« durch eine dunkle Straße, als sie über Funk Brazils Stimme hörte.
    »Einer der Unfallbeteiligten verlangt ins Carolinas Medical Center gefahren zu werden«, gab er durch.
    Aus der Tarnung ihres dunkelblauen Fahrzeugs heraus beobachtete ihn West aus einiger Entfernung. Er war zu sehr mit dem Ausfüllen des Protokolls beschäftigt, um sie zu bemerken. Sehr gewissenhaft schritt er die Kreuzung ab und sprach mit den Insassen der kaum beschädigten Fahrzeuge. Ein Blaulicht flackerte matt am Straßenrand und ließ sein Gesicht in regelmäßigen Abständen gespenstisch aufleuchten. Er schien zu lächeln, als er einem alten Mütterchen in ihrem Camry behilflich war. Brazil griff nach seinem Funkgerät und sprach hinein.
    Er meldete sich ab und fuhr in die Redaktion zurück. Nachdem er einen knappen Artikel über die ungewöhnlichen Verkehrsprobleme in Charlotte verfaßt hatte, gönnte er sich ein heimliches Ritual, von dem nur wenige Leute wußten. Er machte sich auf den Weg in die Druckerei und nahm auf der Rolltreppe gleich drei Stufen auf einmal. Die Beschäftigten dort oben hatten sich schon lange an seine Besuche gewöhnt und störten sich auch nicht daran, obwohl Unbefugten der Zutritt zu diesem Bereich mit seinen riesigen Maschinen und dem ohrenbetäubenden Lärm eigentlich verboten war. Es machte ihm Spaß zuzusehen, wie etwa zweihundert Tonnen Papier über die Rollen liefen, in rasender Geschwindigkeit von Faltmaschinen geschluckt, geschnitten, gebündelt und dann abtransportiert wurden. Diesmal trug ein Artikel auf der ersten Seite seinen Namen.
    Unbeachtet und schweigend stand Brazil in seiner Uniform da. Der Eindruck überwältigte ihn. Bisher hatte er nur an einer regelmäßigen Beilage der Zeitung gearbeitet, deren Fertigstellung Monate dauerte, dann aber nur von wenigen gelesen wurde. Jetzt dagegen schrieb er in wenigen Tagen oder sogar nur Minuten etwas, von dem Millionen jedes Wort verschlangen. Er konnte es nicht fassen. Er wanderte herum, sich vor beweglichen Maschinenteilen, nasser Druckerfarbe und Transportbändern in acht nehmend. Der Lärm dröhnte wie ein Tornado in seinen Ohren. Zu diesem Vorabend des siebten Tages seiner neuen Karriere.
    Der nächste Morgen, ein Sonntag, war unangenehm kühl, und es nieselte. West war mit dem Aufstellen eines hohen Holzzauns rings um ihren Garten an der Elmhurst Street im alten Stadtteil Dilworth beschäftigt. Ihr Haus war ein Backsteinbau mit weißen Fenster- und Türrahmen. Seit sie es gekauft hatte, gab es immer etwas daran zu tun. Dazu gehörte auch das neueste und anspruchsvollste Projekt, das sie in Angriff genommen hatte. Es war notwendig geworden, weil Leute, die vom South Boulevard herüberkamen, immer wieder Bie rflaschen und anderen Abfall auf ihr Grundstück warfen. West war klatschnaß, während sie, den Werkzeuggurt um die Hüften, weiterhämmerte. Mit den Nägeln zwischen den Lippen arbeitete sie an ihrem Vorhaben, als Denny Raines, ein Sanitäter, der gerade keinen Dienst hatte, ohne zu fragen das neue Gartentor öffnete und ihr Grundstück betrat. Er pfiff, trug Jeans und war ein großer, gutaussehender Typ und der eifrigen Frau kein Unbekannter. Sie schenkte ihm keine Beachtung und maß weiter sorgfältig den Abstand zwischen zwei Latten ab.
    »Hat dir schon jemand gesagt, daß du offenbar deine orale Phase nicht ganz überwunden hast?«
    Sie hämmerte unbeirrt weiter, was ihn an etwas erinnerte, das er gern schon bei ihrer ersten Begegnung mit ihr getan hätte. Man hatte sie als Chefin der Ermittlungsabteilung von zu Hause an den Tatort gerufen. Das Opfer war ein Geschäftsmann mit einem seltsamen orangefarbenen Symbol auf dem Geschlechtsteil und mehreren Kugeln im Kopf. Raines hatte nur einen Blick auf die tolle Puppe in Uniform zu werfen brauchen, und schon war es um ihn geschehen gewesen. Sie hämmerte nur, fraß Nägel, und es regnete. »Ich hatte an ein Brunch gedacht«, sagte er. »Vielleicht

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