Die Hornisse
erhobenem Hammer wirbelte West herum. »Was, zum Teufel, machen Sie denn hier?« Sie war erschrocken und verblüfft und tat deswegen ihr Bestes, um haßerfüllt zu klingen. »Wer ist Raines?« Brazil kam näher. Seine Tennisschuhe sogen sich voll Wasser.
»Das geht Sie überhaupt nichts an.« Sie hämmerte genauso wütend weiter wie ihr Herz.
Auf einmal überfielen ihn Scheu und Zaghaftigkeit, während er im Regen ein Stück näher kam. »Ich hab Ihnen ein paar Extraexemplare gebracht. Ich dachte, Sie wollten vielleicht...«
»Sie haben mich nicht gefragt.« Sie hämmerte. »Sie haben mich nicht einmal vorgewarnt. Als ob Sie das Recht hätten, in meinem Leben herumzuschnüffeln.« Sie schlug einen Nagel krumm und zog ihn ungeschickt wieder heraus. »Nachts Streife fahren. Dabei tun Sie nichts anderes, als zu spionieren.«
Sie hielt in dem, was sie tat, einen Moment inne, um ihn anzusehen. Er war triefend naß und enttäuscht. Dabei hatte er ihr nur einen Gefallen tun wollen. Er hatte für sie sein Bestes gegeben. »Sie hatten kein Recht dazu!« sagte sie.
»Es ist eine gute Geschichte«, verteidigte er sich. »Sie sind eine Heldin.«
Sie schimpfte weiter und wußte nicht, warum. »Was für eine Heldin? Wen interessiert denn das?«
»Ich hatte Ihnen gesagt, daß ich über Sie schreiben würde.«
»Mir scheint, das muß eine Drohung gewesen sein.« Sie wandte sich wieder ihrem Zaun zu und hämmerte weiter. »Außerdem dachte ich nicht, daß Sie es ernst meinten.«
»Warum nicht?« Er verstand überhaupt nichts mehr und fand es auch nicht fair.
»Noch nie ist jemand auf so eine absurde Idee gekommen.« Sie hämmerte, hörte wieder auf und versuchte, wütend zu bleiben, was ihr aber nicht gut gelang. »Ich hätte nie gedacht, daß ich so wahnsinnig interessant bin.«
»Meine Arbeit ist gut, Virginia«, sagte er.
Brazil war verletzt und kämpfte dagegen an. Er sagte sich, daß die Meinung dieses hammerschwingenden Deputy Chiefs nicht die geringste Bedeutung habe. Im Regen standen sich die beiden gegenüber, fixierten einander, und Niles sah ihnen dabei von seinem Lieblingsfenster aus mit zuckender Schwanzspitze zu. »Ich weiß von Ihrem Vater«, fuhr West schließlich fort. »Ich weiß genau, was passiert ist. Ist das der Grund, warum Sie von morgens bis abends hier den Cop spielen?«
In Brazil kämpften Gefühle, von denen niemand etwas wissen sollte. West wußte nicht, ob er wütend oder den Tränen nahe war, als sie ihm nun mit den Ergebnissen ihrer eigenen Nachforschungen in seiner Vergangenheit den Wind aus den Segeln nahm. »Er war in Zivil«, sagte sie, »und verfolgte ein gestohlenes Fahrzeug. Vergehen Nummer eins gegen die Dienstvorschrift. So etwas macht man nicht in Zivil. Und dann stellt sich heraus, daß das Schwein ein Verbrecher auf der Flucht ist. Er zielt aus kurzer Distanz. Die letzten Worte Ihres Vaters sind: »Großer Gott, bitte nicht!« Aber das kümmert diesen Wichser nicht im geringsten. Er schießt ihrem Daddy ein Loch ins Herz, und bevor er noch auf dem Asphalt landet, ist er schon tot. Ihre Lieblingszeitung hat dann dafür gesorgt, daß Detective Drew Brazil am Ende gar nicht gut dastand. Sie haben ihn runtergemacht. Und nun zieht sein Sohn aus und macht genau die gleichen Dummheiten.«
Brazil hatte sich auf dem aufgeweichten Rasen niedergelassen und sah sie hart an. »Nein, das tue ich nicht. Außerdem ist das nicht der Punkt. Sie sind roh und gefühllos.«
Es passierte selten, daß West einen so starken Eindruck auf Männer machte. Nicht einmal Raines reagierte so, selbst dann nicht, wenn sie mal wieder mit ihm Schluß gemacht hatte, und das war schon dreimal der Fall gewesen. Er war jedesmal nur wütend davongestürmt und hatte sich anschließend vorgemacht, sie links liegen lassen zu können. Doch irgendwann hielt er dann selbst das Schweigen seines Telefons nicht mehr aus. Brazils Art kannte sie nicht, aber sie hatte auch noch nie einen Schriftsteller, Autor oder irgend so einen Künstler wirklich kennengelernt. Sie setzte sich zu ihm ins nasse Gras und warf den Hammer weg. Das Wasser spritzte auf, als er in einer Pfütze landete. Für diesen Tag hatte er seine Pflicht getan. Sie seufzte. Da saß er nun mit steifem Rücken neben ihr im Regen, dieser junge Volunteer-Cop-Reporter, und sah sie zornig an. »Sagen Sie mir, warum«, nahm sie das Gespräch wieder auf. Er wandte den Blick ab. Nie wieder würde er ein Wort mit ihr darüber sprechen.
»Ich möchte es wissen«,
Weitere Kostenlose Bücher