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Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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schrieb, Brazil hatte immer etwas nachzuschlagen oder zu fragen. Es war ihr eine besondere Genugtuung, wenn er sie an ihrem stets aufgeräumten Ahornholz-Schreibtisch direkt ansprach. Sie war früher Bibliothekarin an einer staatlichen Schule gewesen, bevor sie dann nach der Pensionierung ihres Mannes diesen Job angenommen hatte, um seiner ständigen Anwesenheit zu entkommen. Ihr Name war Mrs. Booth. Sie war gut über sechzig, und für sie war Brazil das schönste menschliche Wesen, das ihr je begegnet war. Er war nett und freundlich und vergaß nie, sich zu bedanken. Brazil war schockiert, als er las, daß West einmal angeschossen worden war. Er konnte es kaum glauben. Er scrollte schnell weiter in der Hoffnung auf weitere Einzelheiten, aber der Lahmarsch, der über diesen Fall berichtet hatte, hatte die Gelegenheit für eine lA-Geschichte überhaupt nicht erkannt. Verflucht. Im wesentlichen stand da nur, daß West vor elf Jahren die erste weibliche Ermittlerin im Morddezernat gewesen war und daß sie damals von einem Informanten einen Tip bekommen hatte.
    Ein Verdächtiger, hinter dem sie her war, halte sich im Presto Grill auf, hatte er ihr souffliert. Als West und weitere Polizeikräfte dort eingetroffen waren, war er jedoch verschwunden. Offenbar hatte sich West dann für einen weiteren Einsatz gemeldet, der die gleiche Gegend und denselben Verdächtigen betraf. Inzwischen war der allerdings betrunken und sehr reizbar. Er eröffnete das Feuer in dem Augenblick, als West vorfuhr. Sie erschoß ihn, aber er hatte sie bereits erwischt. Zu gern hätte Brazil sie nach weiteren Einzelheiten gefragt, doch das mußte er wohl vergessen. Er wußte nur, daß sie an der linken Schulter verletzt worden war, ein Streifschuß, der lediglich eine Fleischwunde verursacht hatte. Ob die Kugel wirklich so heiß war, wenn sie eindrang? Das hatte er so gehört. Hatte sie das umliegende Gewebe versengt? Wie stark waren die Schmerzen? War sie umgefallen, oder hatte sie tapfer die Schießerei beendet? War ihr die Verletzung vielleicht erst bewußt geworden, als sie das Blut an ihrer Hand entdeckte, wie man es oft im Kino sah? Als nächstes fuhr Brazil nach Shelby. Als leidenschaftlicher Tennisspieler hatte er von dieser eleganten kleinen Stadt im Cleveland County natürlich gehört. Es war die Heimatstadt von Buck Archer, dem Freund von Bobby Riggs. Im berühmten >Kampf der Geschlechter< war der einmal gegen die Tennisspielerin Billie Jean King angetreten und hatte verloren. Die High School von Shelby war ein sehr gepflegter Backsteinkomplex und die Heimat der Lions. Studenten aus reichem Elternhaus konnten sich hier auf das College in großen Städten wie Chapel Hill oder Raleigh vorbereiten. Shelby lag in einer ländlichen Gegend mit Ortschaften, die von Rinderzucht lebten und Boiling Springs oder Lattimore hießen. Brazil lenkte seinen klapprigen BMW an den Gebäuden vorbei zu den Tennisplätzen, wo die männliche Jugendmannschaft gerade ein Sommercamp abhielt. Die Kids trainierten an Maschinen, die ihnen die gelbgrünen Bälle entgegenspien. Im Schweiße ihres Angesichts übten sie Aufschläge, Schmetter-, Cross und Passierbälle. Mit kritischstrengem Blick ging der Coach, ein Klemmbrett in der Hand, langsam am Zaun auf und ab. Er trug eine lange weiße Wimbledon-Hose, ein weißes Hemd, einen aus der Form geratenen Hut und als Sonnenschutz weißes Zinkoxyd auf der Nase. Seine ganze Erscheinung wirkte alt und aus der Mode gekommen. »Beweg deine Beine. Mach schon! Beweg dich!« schrie er einem Jungen zu, dessen Tempo nie auch nur in die Nähe dessen kommen würde, was man schnell nennen könnte. »Du darfst nicht einen Moment stehen bleiben!«
    Der Junge hatte Übergewicht und trug eine Brille. Er schielte, und alles schien ihm weh zu tun. Brazil mußte an all das Leid denken, das er durch Trainerdrill erlitten hatte. Allerdings war Brazil in allem, was er sich vornahm, auch gut gewesen. Dieses Kind tat ihm leid, und er hätte gern eine Stunde lang mit ihm gearbeitet. Vielleicht würde er ihn ja ein wenig aufheitern können. »Guter Schlag«, rief Brazil, als es dem Jungen gelungen war, einen Ball hochzulöffeln und über das Netz zu heben. Der Junge gehörte gewiß nicht zu den Top Ten, und als er sich nach seinem Fan hinter dem grünen Windschutz am Zaun umsah, verpaßte er den nächsten Ball. Der Coach blieb stehen und ließ den blonden und gut gebauten jungen Mann auf sich zukommen. Wahrscheinlich suchte er einen Job, doch er

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