Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
beharrte sie. »Sie könnten Cop sein. Sie könnten Journalist sein. Aber nein, Sie müssen beides sein, nicht wahr?« Spielerisch boxte sie ihn in die Schulter, erhielt aber keine Antwort. »Sie leben noch mit Ihrer Mutter zusammen, glaube ich. Wie kommt das? Ein gutaussehender Junge wie Sie? Keine Freundin? Keine Verabredungen? Das Gefühl kenne ich. Sind Sie schwul? Ich hab kein Problem damit, o.k.?« Brazil stand auf.
    »Leben und leben lassen, sage ich immer«, fuhr West fort und sah nachdenklich in die Pfütze, neben der sie saß. Er warf ihr einen durchdringenden Blick zu. »Ich bin nicht derjenige, dem man nachsagt, er sei schwul«, sagte er und stolzierte durch den Regen davon.
    Das konnte West nicht erschüttern. So etwas hatte sie schon öfter zu hören bekommen. Frauen, die zur Polizei gingen, zum Militär, in den Profisport, die als Trainer, Sportlehrer oder im Baugewerbe tätig waren, waren häufig gleichgeschlechtlich orientiert. Diejenigen, die in einem dieser Berufe erfolgreich waren oder selbständige Geschäftsfrauen wurden, die als Ärztinnen, Anwältinnen oder Bankerinnen reüssierten und sich nicht die Fingernägel lackierten oder an Jeder-gegen-jeden-Tennis-Turnieren teilnahmen, mußten einfach lesbisch sein. Dabei spielte es keine Rolle, ob sie nun verheiratet waren und Kinder hatten. Es spielte auch keine Rolle, solange sie nur immer schön mit Männern ausgingen. Es waren die schlichten Fassaden, die man der Familie und Freunden gegenüber aufrechterhielt.
    Es gab nur einen einzigen wirklich zuverlässigen Beweis für Heterosexualität: Man durfte als Frau nichts so gut machen wie ein Mann und obendrein auch noch stolz darauf sein. West galt seit ihrer Beförderung zum Sergeant als Lesbierin. Natürlich gab es im Police Department homosexuelle Frauen, aber die kehrten das unter den Teppich und erzählten erfundene Geschichten von Männern, mit denen sie nie ausgegangen waren. West verstand schon, warum man vermutete, daß auch sie nach diesem Prinzip lebte. Ähnliche Gerüchte kursierten sogar über Hammer. All diesen Geschichten wurde zuviel Gewicht beigemessen, und West wünschte sich, die Menschen würden die Dinge laufen lassen und sich um ihren eigenen Kram kümmern.
    Vor langer Zeit schon war sie zu der Überzeugung gelangt, daß man viele Moralprinzipien in Wirklichkeit eher als Bedrohung empfinden mußte. Daheim auf der Farm ihres Vaters hatten sich die Leute zum Beispiel das Maul zerrissen über die unverheirateten Missionarinnen an der Presbyterianer-Kirche in Shelby gleich neben der Futtermittelfabrik und dem Kreiskrankenhaus. Einige dieser ungewöhnlichen Frauen hatten zusammen in so exotischen Ländern wie dem Kongo, Brasilien, Korea oder Bolivien gewirkt. In Shelby waren sie entweder auf Heimaturlaub, oder sie verbrachten dort ihren Ruhestand. Sie wohnten zusammen in einer Wohnung. Doch was die Leute auch reden mochten, West selber kannte niemanden, der auf den Gedanken gekommen wäre, diese gläubigen Frauen der Kirche könnten außer dem Gebet und dem Dienst an den Armen noch etwas anderes im Sinn haben.
    Als West heranwuchs, hatte sie nur vor einem Angst gehabt, nämlich als Blaustrumpf oder alte Jungfer zu enden. Damit hatte man ihr mehr als einmal angst gemacht, wenn sie in den meisten Dingen besser war als die Jungen und sogar einen Traktor fahren konnte. Statistisch gesehen, mußte sie zwangsläufig zur alten Jungfer werden. Dieser Gedanke beunruhigte ihre Eltern bis heute. Verstärkt wurde er zuletzt noch durch die Befürchtung, sie könne obendrein vom anderen Ufer sein. Offen gesagt, konnte West durchaus verstehen, daß Frauen sich zueinander hingezogen fühlen. Was sie sich aber nicht vorstellen konnte, war, gegen eine Frau zu kämpfen. Es war schon schlimm genug, wenn Männer um sich schlugen und man nicht mit ihnen reden konnte. Frauen heulten dafür, kreischten und waren überempfindlich, besonders, wenn ihre Hormone durcheinandergerieten. Unausdenklich ein Lesbenpaar, das zur gleichen Zeit unter dem PMS litt. Häusliche Gewalt wäre unausbleiblich. Wahrscheinlich würde sie sogar zu Mord eskalieren - besonders wenn es sich um zwei bewaffnete Cops handelte. Nachdem sie einsam die Reste einer scharf gewürzten Pizza mit Hähnchenfleisch zum Abendessen verzehrt hatte, setzte sie sich in ihren Sessel mit der verstellbaren Rückenlehne vor den Fernseher. Sie sah sich ein Baseballmatch an, in dem die Atlanta Braves die Florida Marlins in Grund und Boden spielten. Niles

Weitere Kostenlose Bücher