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Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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brauchte niemanden in diesem Camp mit dieser unfähigsten Meute, die er je erlebt hatte. »Coach Wagon?« fragte Brazil.
    »Hmm?« Der alte Coach war neugierig, woher dieser Fremde seinen Namen kannte. Liebe Güte, vielleicht hatte er ja einmal vor Jahren in seinem Team gespielt, und Wagon konnte sich nur nicht an ihn erinnern. So etwas passierte ihm in letzter Zeit immer häufiger. Aber am Johnnie Walker, Red Label, lag das sicher nicht. »Ich bin Reporter beim Charlotte Observer«, sagte Brazil schnell und nicht ohne Stolz, »und arbeite an einer Story über eine Frau, die vor langer Zeit in Ihrem Jungenteam mitgespielt hat.« Wagons Gedächtnis mochte zwar nachlassen, aber an Virginia West würde er sich immer erinnern. Seinerzeit hatte es an der Shelby High School keine Damenmannschaft gegeben, doch sie war zu gut, als daß man sie übersehen durfte. Was für einen Wirbel hatte es damals gegeben. Zunächst wollten die Behörden nichts davon wissen. Daher konnte sie in ihrem ersten Jahr nicht in die Mannschaft. Doch Wagon kämpfte für sie und gegen das System, und im nächsten Jahr spielte sie auf Position drei. Sie hatte den härtesten und flachsten Aufschlag, den Wagon je erlebt hatte, und einen so scharfen Rückhandslice, daß der Ball ein frisches Brot glatt durchschlagen hätte, ohne es umzuwerfen. Sämtliche Jungen waren in sie verknallt und versuchten bei jeder Gelegenheit, sie mit dem Ball anzuschießen. In den drei Jahren, in denen sie für Coach Wagon gespielt hatte, hatte sie kein einziges Match verloren, kein Einzel und auch kein Doppel. Im Shelby Star und im Observer waren mehrere Artikel über sie erschienen. Sie war der Star aller Frühjahrswettbewerbe und Regionalturniere gewesen. Sie hatte es bis ins Viertelfinale der Staatsmeisterschaften geschafft, als Hap Core sie schließlich in Grund und Boden spielte und damit ihre Laufbahn als männliche Sportlerin beendete. Brazil fuhr in die Redaktion zurück und besorgte sich die Mikrofilme mit den Berichten über sie im Sportteil. Er war wie besessen, scrollte durch einen Artikel nach dem anderen und schrieb seinen halben Notizblock voll.
    Auch die Schnalle war eine Besessene. Aber das war auch schon die einzige Gemeinsamkeit, die sie mit ihm teilte. Sie lebte übrigens in Dilworth, nicht weit von Virginia West entfernt. Doch die beiden Frauen kannten sich nicht. Sie räkelte sich auf ihrem weichen Sessel mit braunem Kunstlederbezug. Die Fußstütze hatte sie ausgezogen. Das Wohnzimmer war abgedunkelt. Sie lebte allein in ihrem Häuschen. Schwer atmend lag sie mit heruntergezogener Hose da. Auffällig war sie bisher nie geworden. Wäre sie es, dann hätte das FBI sie als weibliche Person, weiß, zwischen vierzig und siebzig Jahre alt, beschrieben. Die Altersspanne würde so groß ausfallen, weil der weibliche Sexualtrieb bekanntermaßen nicht so früh abnahm wie der männliche. Im Gegenteil, man hatte festgestellt, daß Frauen, wenn sie kein Östrogen mehr produzierten, zu sexueller Überaktivität neigten.
    Vor diesem Hintergrund würde Special Agent Gil Bird, in Quantico zuständig für Serienmörder, ihr Alter wohl zwischen vierzig und fünfzig ansetzen. Die in ihrem Kopf ablaufende biologische Uhr mußte sich zu einem Schreckgespenst entwickelt haben, das ihr mit dem Ende ihrer Perioden eine Art Todesurteil androhte. War sie tatsächlich hinter Brazil her? Wollte sie ihn haben? Nein, würde Bird antworten, ihr Trieb sei wesentlich komplexer. Hätte man Brazil offiziell in den Fall einbezogen, dann hätte Bird ein Szenario entworfen, das vielleicht einiges klarer gemacht hätte. Special Agent Bird hätte die akkurat begründete Hypothese aufgestellt, daß es sich um eine Phase der Abrechnung handele. Über viele Jahre hinweg sei diese Frau in ihrer Persönlichkeit herabgesetzt worden, habe zu Hause nichts zu melden gehabt. Niemand habe sie geschätzt, stets und überall sei sie unerwünscht gewesen. Als junge Frau hatte sie an der Cafeteria-Theke des Gardner Webb gearbeitet. Viele Baseballspieler waren hier ein- und ausgegangen, unter ihnen auch Ernie Presley. Meistens hatten die sie nur mürrisch angesehen, als wäre sie nicht besser als das fettige Rührei mit Bratkartoffeln, das sie ihnen servierte. Auch Brazil würde sie nicht anders behandelt haben. Dazu brauchte sie ihn gar nicht genauer zu kennen. Frustriert, wie sie im Moment war, zog sie es vor, es mit ihm auf ihre Weise zu treiben und immer dann, wenn sie es wollte. Die Jalousien hatte sie

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