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Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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bei Chili's.« Raines näherte sich ihr von hinten und schlang die Arme um sie. Er küßte ihren Nacken, der naß und etwas salzig schmeckte. Weder lächelte West, noch antwortete sie, noch nahm sie die Nägel aus dem Mund. Sie hämmerte und wollte nicht gestört werden. Er gab auf, lehnte sich an ihr Werk. Er verschränkte seine Arme und beobachtete sie, während das Wasser vom Schirm seiner PanthersBaseballkappe rann.
    »Ich nehme an, du hast schon einen Blick in die Zeitung geworfen«, sagte er.
    Er hatte das unbedingt loswerden wollen, und sie sagte überhaupt nichts. Sie maß den nächsten Abstand ab.
    »Wenn das nichts ist! Ich kenne eine Berühmtheit. So groß steht es auf der ersten Seite.« Er machte eine übertriebene Geste mit seinen Armen, als wäre die Ausgabe mit West drin drei Meter hoch. »Und sogar oben auf der Seite«, fuhr er fort. »Gut geschriebene Geschichte. Ich bin beeindruckt.« Sie maß und hämmerte.
    »Um ehrlich zu sein, ich hab da Sachen erfahren, von denen nicht einmal ich etwas wußte. Das mit der Shelby High School zum Beispiel. Daß du unter Trainer Wagon im Jungenteam Tennis gespielt hast. Daß du kein Match verloren hast. Na, was sagst du jetzt?« Mehr denn je war er von ihr hingerissen. Er weidete sich an ihrem Anblick und wurde nicht einmal dafür zur Kasse gebeten. Sie war sich dessen bewußt und fühlte sich ausgebeutet, aber sie hämmerte weiter und biß auf Metall.
    »Hast du eine Ahnung, was der Anblick einer schönen Frau mit Werkzeuggurt bei einem Mann wie mir anrichtet?« Schließlich nannte er seinen Fetisch beim Namen. »Es ist, wie wenn wir an einen Tatort kommen und du da in deiner verdammten Uniform stehst. Ich denke Dinge, die ich nicht denken sollte, während gleich daneben Menschen verbluten. Gerade jetzt bin ich so scharf auf dich, daß es mir fast die Jeans sprengt.«
    Sie zog einen Nagel zwischen den Lippen hervor und sah erst ihn an, dann seine Jeans. Entschlossen schob sie den Hammer in den Gürtel. Sie hatte beschlossen, daß er heute das einzige Werkzeug bleiben sollte, das mit ihr näheren Kontakt hatte. Sonntags hatten sie sonst mit schöner Regelmäßigkeit ihren Brunch, tranken Mimosas dazu, sahen fern in ihrem Bett, und er redete von nichts anderem als den Einsätzen, zu denen er am Wochenende gerufen worden war, als ob es nicht schon genügend Blut und Unglück in ihrem Leben gab. Raines war ein prima Kerl, aber langweilig.
    »Geh Leben retten und laß mich allein«, schlug sie ihm vor. Sein Lächeln und seine Verspieltheit waren verflogen. Es regnete in Strömen. »Was, zum Teufel, hab' ich denn falsch gemacht?« jammerte er.

Kapitel 6
    West blieb allein draußen im Regen, hämmerte weiter, vermaß und baute an ihrem Zaun, als wäre er ein Symbol dessen, was sie den Menschen und dem Leben gegenüber empfand. Als gegen drei Uhr nachmittags das Gartentor erneut auf- und zuschlug, vermutete sie, Raines unternehme einen neuen Anlauf. Mit Wucht schlug sie den nächsten Nagel ins Holz. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie nicht nett zu ihm gewesen war. Er hatte es nicht böse gemeint, und ihre Stimmung hatte wirklich nichts mit ihm zu tun. Niles hätte eine solche Behandlung verkraftet. Er saß im Küchenfenster über der Spüle und blickte hinaus zu seiner Besitzerin im strömenden Regen. Sie schwang etwas in der Hand, das aussah, als könnte es empfindlich weh tun, käme man dem Ding in die Quere. Niles war bis vor kurzem mit sich selbst beschäftigt gewesen, hatte seine Kreise gezogen, auf Decken rumgetrampelt und schließlich ein geeignetes warmes Plätzchen auf Wests Kommode gefunden. Dann hatte er sich als Astronaut versucht, als Zirkusakrobat, der wie aus einer Kanone geschossen durch die Luft flog. Es war schon verdammt praktisch, daß er stets auf seinen vier Pfoten landete. Durch das an den Fensterscheiben herabrinnende Wasser sah er jetzt jemanden von Norden her den Garten betreten. In seinem ganzen Katzenleben hatte Niles, der Wachkater, diesen Menschen noch nicht gesehen. Brazil bemerkte die magere Katze, die ihn vom Fenster aus beobachtete, als er das Gartentor hinter sich schloß. West hämmerte und rief etwas, das an einen gewissen Raines gerichtet war. »Hör zu, es tut mir leid. Okay?« sagte sie. »Ich bin komischer Stimmung.«
    Brazil schleppte drei Exemplare der dicken Sonntagsausgabe an, verpackt in eine Plastiktüte von der Reinigung, die er in seinem Kleiderschrank gefunden hatte. »Entschuldigung akzeptiert«, sagte er. Mit

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