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Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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den bescheidenen Sicherheitsdienst von Davidson angeführt, als Schülerstreiche und gelegentliche Trunkenheitsdelikte die einzigen Probleme waren, die ihn beschäftigten. Dann hatte die Schule Frauen zugelassen. Das war keine gute Idee, wie er jeden, der ihm über den Weg lief, wissen ließ. Briddlewood hatte keine Gelegenheit ausgelassen, die Professoren immer wieder zu warnen, wenn sie gedankenversunken zu ihren Klassen eilten. Auch Sam Spencer, den damaligen Präsidenten, hatte er auf die Gefahren aufmerksam gemacht. Doch niemand hatte auf ihn gehört. Jetzt hatte Briddlewood immerhin einen Trupp von acht Männern unter sich und drei Cushmans. Sie verfügten über Funkgeräte und Schußwaffen und tranken mit den Cops der Stadt Kaffee.
    Briddlewood schnupfte eine Prise Copenhagen-Schnupftabak und spuckte in einen Styroporbecher, während er Brazil und seiner Freundin nachsah. Sie folgten dem gepflasterten Weg zur Presbyterianer-Kirche. Briddlewood mochte diesen Jungen schon immer, und der Gedanke, daß auch er einmal erwachsen werden würde, hatte ihm fast das Herz gebrochen. Als kleiner Junge war Brazil immer irgendwohin unterwegs gewesen, das >Western Auto<-Racket unter dem Arm und mit einem Plastikbeutel voller schlapper, abgenutzter Tennisbälle in der Hand. Die Bälle hatte er aus dem Abfall gefischt oder vom Coach erbettelt. Außerdem versäumte Brazil nie, seinen Kaugummi oder seine Bonbons mit Briddlewood zu teilen, was den Wachmann immer zutiefst gerührt hatte. Der Junge besaß nicht viel und hatte es auch in anderer Hinsicht nicht leicht. Es stimmte zwar, daß Muriel Brazil damals noch nicht so tief ins Glas schaute wie jetzt, aber ihr Sohn war trotzdem wirklich nicht auf Rosen gebettet gewesen, und das wußte jeder in Davidson. Brazil hatte nie von dem Plan erfahren, den einige College-Mitglieder insgeheim geschmiedet hatten. Über Jahre hatten sie bei wohlhabenden Ehemaligen Gelder gesammelt und auch in die eigene Tasche gegriffen, um sicherzustellen, daß Brazil zu gegebener Zeit die Möglichkeit erhielt, das College zu besuchen, um so irgendwann aus seiner damaligen Situation herauszukommen. Auch Briddlewood hatte ein paar Dollar in den Topf geworfen, und das zu einer Zeit, in der er selbst kaum etwas übrig hatte. Damals lebte er in einem kleinen Haus, das so weit vom Lake Norman entfernt lag, daß er zwar das Wasser selbst nicht sah, wohl aber die endlosen Truckkarawanen, die mit Booten im Schlepptau über die staubige Straße vor seinem Haus zum See hinausfuhren. Noch einmal spuckte er aus. Geräuschlos ließ er den Cushman ein Stück weiter in Richtung Kirche rollen, um das Paar in der Dunkelheit weiter im Auge zu behalten. Er wollte sichergehen, daß ihnen nichts passierte.
    »Was mache ich jetzt mit Ihnen?« fragte West Brazil. Aber der hatte seinen Stolz und im Moment absolut keinen Sinn für Humor. »Nur um das mal festzuhalten, ich brauche Ihre Hilfe ganz und gar nicht.«
    »Oh doch, die brauchen Sie. Sie stecken in ernsten Schwierigkeiten.«
    »Und Sie wohl nicht«, gab er zurück. »Das einzige, was Sie im Leben haben, ist doch eine exzentrische Katze.«
    Die Bemerkung überraschte West. Was mochte er sonst noch über sie ausgegraben haben? »Woher wissen Sie etwas von Niles?« wollte sie wissen.
    West war aufgefallen, daß ihnen in einiger Entfernung ein Wachmann in einem Cushman folgte. Er hielt sich im Schatten der Bäume und war überzeugt, West und Brazil würden ihn hinter den Buchsbaumsträuchern und Magnolien nicht bemerken. In Wests Augen mußte das ein entsetzlich langweiliger Job sein. »Ich habe eine Menge Dinge im Leben«, widersprach sie. »Na, toll«, sagte Brazil.
    »Wissen Sie was? Ich vergeude mit Ihnen nur meine Zeit.« Und das war ihr Ernst.
    Sie ließen den Campus hinter sich und gingen durch schmale Straßen, in denen Professoren in restaurierten Häusern lebten, umgeben von liebevoll gepflegten Rasenflächen und Bäumen. Als Junge war Brazil oft durch diese Straßen gewandert. Dann hatte er sich die Menschen in diesen teuren Häusern vorzustellen versucht, wichtige Hochschullehrer und deren nette Ehepartner. Damals erschien ihm das Licht aus diesen Fenstern so warm, und manchmal konnte er bei offenen Vorhängen die Menschen drinnen beobachten, wie sie mit einem Drink in der Hand durch das Wohnzimmer schlenderten, in einem Sessel saßen und ein Buch lasen oder am Schreibtisch arbeiteten.
    Brazil hatte seine Einsamkeit in einer unerreichbaren, namenlosen Kammer tief

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