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Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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nach Hause nehmen«, sagte er und bestrich mit ihm im Kerzenlicht dick eine Scheibe Brot. »Seth, ich mache mir Sorgen, wie du mit deiner Gesundheit umgehst«, sagte Hammer und griff nach ihrem Glas Pinot Noir. »Er könnte mit Portwein abgeschmeckt sein, obwohl es nicht so aussieht«, fuhr er fort. »Vielleicht ist auch etwas Meerrettich dabei. Und Cayennepfeffer.«
    Als Hobby beschäftigte er sich mit der Juristerei und der Börse. Ein wichtiger Rückhalt in seinem Leben war die Tatsache, daß er Geld von seiner Familie geerbt hatte und nicht arbeiten mußte. Er war, was man ihm ja auch ansah, sanftmütig mit einer Tendenz zur Schwäche. Gewalt war ihm fremd, und meistens war er müde. Doch in der gegenwärtigen Phase seines Lebens glich er eher einer lahmen und antriebslosen Frau, und Hammer fragte sich, wie es dazu hatte kommen können, daß sie sich in einer lesbischen Beziehung mit einem Mann wiederfand. Oh ja, wenn er kurz vor einem seiner Wutausbrüche stand, wie gerade jetzt wieder, konnte sich Hammer durchaus in einen Fall von häuslicher Gewalt hineindenken. In manchen Fällen hätte sie sogar eine gewisse Rechtfertigung gesehen.
    »Seth, es ist unser Hochzeitstag«, erinnerte sie ihn leise. »Du hast den ganzen Abend kein Wort mit mir geredet. Du hast alles gegessen, was dieses gottverdammte Restaurant zu bieten hat, und mich nicht einmal angesehen. Könntest du wenigstens mal andeuten, was nicht in Ordnung ist? Dann müßte ich nicht raten oder Gedanken lesen oder gar eine Hellseherin befragen.«
    Ihr Magen war so aufgebläht wie ein Opossum in Abwehrstellung. Für sie war Seth die beste Abmagerungskur. Von jetzt auf gleich konnte sie in Appetitlosigkeit verfallen. In seltenen Augenblicken, zum Beispiel bei einem ruhigen Spaziergang am Strand oder in den Bergen, wurde ihr bewußt, daß sie die längste Zeit ihrer Ehe gar nicht in Seth verliebt gewesen war. Und dennoch war er ihr Fels in der Brandung. Bräche der auseinander, würde gleichzeitig ihr halbes Lebens in sich zusammenfallen. Das war die Macht, die er über sie hatte, und das wußte er auch, wie jede gute Ehefrau. Die Kinder könnten zum Beispiel seine Partei ergreifen. Das war zwar äußerst unwahrscheinlich, dennoch fürchtete sich Judy Hammer davor. »Ich rede nicht, weil ich nichts zu sagen habe«, antwortete Seth mit logischer Stringenz.
    »Auch gut.« Sie faltete die Stoffserviette zusammen, legte sie auf den Tisch und sah sich suchend nach der Kellnerin um.
    Viele Kilometer entfernt am Wilkinson Boulevard, noch hinter Bob's Pfandleihe, den Trailer Parks und Coyote Joe's, nicht weit von der Oben-ohne-Bar, fand in der Schießhalle ein Kampf ganz anderer Art statt. Brazil schlachtete in seiner Bahn Schablonen ab, die eine nach der anderen quietschend auf ihn zugefahren kamen. Seine Pistole warf Patronenhülse um Patronenhülse aus. Sie flogen durch die Luft und fielen klirrend zu Boden. Wests Schüler machte in einem Tempo Fortschritte, das sie noch nicht erlebt hatte. Sie war stolz auf ihn.
    »Eins, zwei, drei, und du bist raus!« bellte sie ihm ins Ohr. Hielt sie ihn eigentlich für den Dorftrottel? »Sichern. Magazin raus, nachladen, einschieben! In Position, entsichern! Eins, zwei und stopp!« Das ging seit über einer Stunde so. Von den anderen Ständen sahen die alten Knaben herüber und bestaunten das Schauspiel. Wer war die Kleine da, die diese offenbar schwule Type anschrie wie ein Feldwebel auf dem Kasernenhof? Das fragte sich jedenfalls Bubba, der an die Schlackensteine der Schießhallenwand gelehnt stand und die Szene beobachtete. Bubba war so, wie man sich einen echten Redneck vorstellte und wie auch alle Bubbas, von denen er abstammte, gewesen waren: Exxon-Kappe tief ins Gesicht gezogen, derber Arbeitsanzug mit Tarnweste darüber, und darunter wö lbte sich ein runder Bauch. Er sah die Schießscheibe immer näher auf den blonden Typen zuknirschen.
    Bubba fiel auf, wie eng die Treffer beieinanderlagen und wie treffsicher der Kerl bei Kopfschüssen war. Er zog ein Fläschchen aus der Westentasche, genehmigte sich eine Prise Schnupftabak und warf dabei einen prüfenden Blick auf seinen eigenen Schießstand. Niemand sollte wagen, seine ZehnMillimeter Combat-Glock 20-Knarre oder seine Remington XP-100 mit Leupold-Zielfernrohr und 50 Grain-Sierra-PSP-Munition und 17-Grains IMR 4189-Pulverladung anzurühren. Eine nette Kanone, die auf dem Sandsack hervorragend auflag. Seine automatische Calico, Modell 110, mit Hundert-SchußMagazin

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