Die Hornisse
verweisen, die ihr Beruf ihr abverlangte. Immer wieder warf sie einen Blick auf ihre überdimensionale Radiouhr mit dem kratzfesten Glas und warf dabei ihre Mähne zurück. Sie hätte viel darum gegeben, eine ihrer spindeldürren Mentholzigaretten mit den Blümchen am Filter rauchen zu können. Endlich, exakt um dreizehn Minuten nach fünf, konnte Cahoon sie einschieben. Wie immer war sein Tag lang gewesen mit viel zu vielen Terminen. Alle Welt schien nur ihn persönlich sprechen zu wollen. In Wirklichkeit aber hatte er sich keineswegs beeilt, Hammer vorzulassen. Dabei war ihm offenbar auch gleichgültig, daß schließlich er dieses Treffen anberaumt hatte und nicht sie. Als sie sich kennenlernten, war sie widerspenstig und voreingenommen gewesen und hatte ihn wie einen ungezogenen Hund behandelt. Dafür trat er ihr gegenüber nun immer äußerst korrekt und unbeirrbar auf. In nicht allzu ferner Zukunft würde er dafür sorgen, daß man sie auf die Straße setzte, und sich einen fortschrittlichen jungen Mann holen, einen von der Sorte, die gleichzeitig das Wall Street Journal und eine Browning Hi-Power in der Aktentasche hatte. Für Cahoon mußte ein Chief jemand sein, der den Markt kannte, der keine Scheu hatte, das Prinzip >shoot to kill< anzuwenden, und der den führenden Persönlichkeiten der Stadt ein wenig Respekt entgegenbrachte. Jedesmal, wenn Hammer dem Herrscher der Stadt gegenüberstand, mußte sie daran denken, daß er sein Vermögen mit einer Hühnerfarm gemacht und sich dann zu einer anderen Person stilisiert hatte. Andere mußten dann für seine Geschichte in die Bresche springen. Sie war sich fast sicher, daß Frank Purdue ein Phantasiename war. Und Holly Farms war auch so eine Fassade. Solomon Cahoon hatte seine Millionen mit drallen Hähnchenbrüsten und -schenkeln gemacht. Er war durch Bratereien und fette Hähnchen reich geworden, in denen kleine Thermometer stets exakt den richtigen Garzustand anzeigten. Selbstverständlich hatte Cahoon seine Erfahrungen und seine Einnahmen geschickt auf Bank- und Börsenaktivitäten ausgeweitet. Klugerweise war ihm aber auch frühzeitig bewußt geworden, daß seine Herkunft ein Problem für seine Glaubwürdigkeit darstellen könnte. Zum Beispiel, wenn jemand eine Hypothek durch die US-Bank absichern wollte und plötzlich deren Vorstandsvorsitzenden bei Harris-Teeters für Hähnchenteile reklamelächeln sähe. Dabei warf Hammer ihm gar nicht vor, mit seinen ein oder zwei Aliasnamen zu dem geworden zu sein, was er war - falls sie mit ihrer Vermutung überhaupt richtiglag.
Sein feudaler Schreibtisch aus Wurzel-Ahorn war zwar kein antikes Stück, aber prächtig und sehr viel ausladender als das zwei Meter vierzig breite furnierte Exemplar, das die Stadt ihr ins Büro gestellt hatte. Cahoon saß in einem englischen Ledersessel mit Messingbeschlägen und zum Schreibtisch passenden Wurzelholz-Armlehnen. Er war apfelgrün und quietschte. Cahoon telefonierte und sah durch blankgeputzte Scheiben aus seinem Aluminiumrohrgehäuse ins Weite. Sie nahm ihm gegenüber Platz. Noch einmal befand sie sich in Warteposition, aber es machte ihr nicht viel aus, denn so hatte sie Zeit zum Nachdenken. Häufig genug löste sie auf diese Weise Probleme, traf Entscheidungen, plante die nächsten Schritte oder überlegte, was es zum Abendessen geben und wer kochen sollte.
Vom Hals aufwärts wirkte Cahoon stets wie nackt. Seinen struppigen silbergrauen Haarkranz trug er wie eine Krone. Die ungleich geschnittenen Borsten standen senkrecht hoch. Am Hinterkopf erinnerten sie an die Sichel des zunehmenden Mondes. Stete Bräune und Falten zeugten von seiner Segelleidenschaft. Er war vital und wirkte distinguiert in seinem schwarzen Anzug, dem gestärkten weißen Hemd und der seidenen Fendi-Krawatte mit einem Muster aus goldenen und dunkelroten Uhren.
»Sol«, begrüßte sie ihn höflich, als er endlich aufgelegt hatte. »Vielen Dank, Judy, daß Sie mir diesen Termin ermöglicht haben«, antwortete er mit weicher Südstaatenstimme. »Was fangen wir also mit diesen Homoschützenfesten an? Mit diesen fröhlichen Schwulen-Morden? Mit diesen Perversen und Schwuchteln, die unsere Stadt unsicher machen? Ihnen ist sicher klar, welchen Eindruck diese Dinge auf Firmen oder Gesellschaften machen, die daran denken, sich hier niederzulassen. Ganz zu schweigen von den Auswirkungen auf die hier schon ansässige Geschäftswelt.«
»»Schwuchteln«, zitierte Hammer ihn langsam und nachdenklich. »Unsicher
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