Die Hornisse
Sol, ganz bestimmt nicht.« Sie schüttelte noch entschiedener den Kopf. »Hier geht es nicht um Haarspaltereien. Hier geht es um das Wesentliche.«
»Judy.« Er hob mahnend den Zeigefinger. »Was ist mit Tagungen, die nicht stattfinden werden, weil.?«
»Du lieber Himmel«, winkte sie ab und stand auf. »Tagungen treffen keine Entscheidungen. Das tun Menschen. Ich kann mir so etwas nicht länger anhören. Überlassen Sie die Sache einfach mir, einverstanden? Dafür werde ich schließlich bezahlt. Und ich werde gewiß keinerlei Schwachsinn verbreiten. Dafür müssen Sie sich jemand anderen suchen.« Sie ging zur Tür und warf noch einmal einen Blick in dieses Büro mit seiner bemerkenswerten Aussicht. »Einhundertfünf Prozent.« Wütend hob sie die Hände. »Übrigens, ich an Ihrer Stelle würde mal auf meine Sekretärin aufpassen.«
»Was hat denn die mit dieser Sache zu tun?« Cahoon war höchst verwirrt, aber das war nach Besuchen von Hammer keine Seltenheit.
»Ich kenne diesen Typ«, warnte Hammer. »Wieviel verlangt sie?«
»Wofür?« Noch immer sprach sie für ihn in Rätseln. »Glauben Sie mir. Sie wird es Sie schon wissen lassen«, sagte Hammer und schüttelte den Kopf. »Ich würde mich nicht allein in einem Zimmer mit ihr aufhalten, und ich würde ihr nicht trauen. Ich würde zusehen, daß ich sie loswerde.«
Mrs. Mullis-Mundi wußte, daß das Gespräch nicht gut gelaufen sein konnte. Cahoon hatte weder Wasser noch Kaffee, auch keinen Tee oder Cocktails bestellt. Zudem hatte er sie nicht über die Sprechanlage aufgefordert, den Chief hinauszubegleiten. Mrs. Mullis-Mundi betrachtete sich selbst verschwörerisch im Spiegel ihrer Chanel-Puderdose, und als sie gerade ein Lächeln probte, stand Hammer plötzlich im Zimmer. Das hier war keine Frau, die ihre Zähne mit Zahnweiß bleichte oder sich die Beine epilierte. Hammer warf einen Hefter mit einem Bericht auf den lackierten chinesischen Schreibtisch der Chefsekretärin.
»Hier haben Sie meine Statistik, die ungeschönte«, sagte Hammer im Hinausgehen. »Sehen Sie zu, daß er sie auf dem Tisch hat, wenn er etwas zugänglicher ist.«
Als sie rasch durch die Marmorlobby klapperte, lief ihr eine Gruppe Schulkinder auf Besichtigungstour über den Weg. Sie schaute auf ihre Breitling-Armbanduhr, registrierte die Zeit aber kaum. Heute war ihr und Seths sechsundzwanzigster Hochzeitstag. Sie hatten sich vorgenommen, einen ruhigen Abend im Beef West Bottle am South Boulevard zu verbringen, einem der wenigen Steakhäuser, das er mochte und das sie tolerierte. Dort hatte sie noch jedesmal die Erfahrung gemacht, daß allein die Art, wie sie in ihrem Fleisch stocherte, verriet, welchem Geschlecht sie angehörte. Sie ließen sich in dem dunkel getäfelten Restaurant an einen freien Tisch führen, und wie immer begann sie ihre Speisenfolge mit jungen Froschschenkeln, in Weißwein und Knoblauch gedünstet, und einem Caesar Salad. Es wurde immer lauter im Lokal, in dem die Familienväter der Stadt und solche, die es werden wollten, schon seit Jahrzehnten einkehrten und künftige Attacken ihrer Herzkranzgefäße billigend in Kauf nahmen. Seth, ihr Mann, liebte gutes Essen mehr als sein Leben. Er war vollauf mit einem Shrimpscocktail beschäftigt, danach Salatherzen mit dem berühmten Roquefort-Dressing des Hauses, Brot, Butter und schließlich einem Porterhouse Steak für zwei, das er allerdings wie gewohnt allein vertilgte. Seth war zu seiner Zeit ein aufgeklärter, gutaussehender junger Mann und der Assistent des Bürgermeisters von Little Rock gewesen. Sergeant Judy Hammer hatte er auf dem Gelände des Capitols kennengelernt.
Es hatte nie Zweifel zwischen den beiden über die Rollenverteilung gegeben. Sie war der Motor in ihrer Beziehung, und das machte sie für ihn attraktiv. Seth liebte ihre Stärke. Und sie liebte es, daß er ihre Stärke liebte. Sie heirateten und gründeten eine Familie, die bald zu seinem Aufgabenbereich wurde, da sie es war, die Karriere machte, die nachts herausgerufen wurde, die aufstieg und mit ihm in andere Städte zog. Für alle, die sie näher kannten, war es nur folgerichtig, daß sie den Namen Hammer beibehalten und nicht den seinen angenommen hatte. Er war ein sanfter Mensch. Sein Kinn drückte nicht gerade Stärke und Eigenwilligkeit aus. Seine ganze Erscheinung erinnerte an die lebensfrohen Aristokraten und Bischöfe, die einen mit ihren wasserblauen Augen von alten Gemälden anschauten.
»Wir sollten etwas von diesem Käse mit
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