Die Hornisse
einen Schwachkopf. »Also, ich möchte nicht länger Ihre Zeit in Anspruch nehmen.« Er redete immer schneller und kam nun gänzlich aus dem Takt. »Ehm... ich... also. Es war einfach großartig von Ihnen. Finde ich. Dabei brauchten Sie das gar nicht zu tun. Jemand in Ihrer Position, meine ich. Die wenigsten hätten es getan.«
Hammer lächelte und trommelte mit den Fingernägeln auf einen Stapel Papiere. Sie brauchte eine Maniküre. »Ich sehe Sie dann irgendwann im Department«, sagte sie und spürte einen kleinen Stich in der Herzgegend, als sie auflegte.
Ihre beiden eigenen Söhne kränkten und verletzten sie immer wieder. Dennoch hielt sie das nicht davon ab, sie jeden Sonntagabend anzurufen, eine Ausbildungsversicherung für die Enkelkinder abzuschließen oder ihnen Flugtickets zu schicken, wann immer ein Besuch bevorstand. Hammers Söhne hatten nicht ihre Energie. Insgeheim lastete sie das den ungünstigen genetischen Voraussetzungen an, die sie von ihrem Vater mitbekommen hatten, und der war nun wirklich ein Weichei. Wen, verdammt, wunderte es da schon, daß es jedesmal so vieler Anläufe bedurft hatte, bis Hammer endlich schwanger geworden war. Es hatte sich herausgestellt, daß Seths Spermien sich an den Fingern einer Hand abzählen ließen. Randy und Jude waren unverheiratet, hatten jedoch beide Familie. Sie waren noch auf dem Selbstfindungstrip, der eine in Venice Beach, der andere in Greenwich Village. Randy wollte Schauspieler werden, Jude spielte Schlagzeug in einer Band. Und beide kellnerten. Hammer liebte sie heiß und innig, im Gegensatz zu Seth. Und dies war mit Sicherheit der Hauptgrund dafür, daß ihre Söhne sie so selten besuchten, ein schmerzlicher Umstand für ihre Mutter. Hammer war plötzlich niedergeschlagen. Sie hatte das Gefühl, als brüte sie irgend etwas aus. Über die Sprechanlage rief sie nach Captain Horgess. »Welche Termine habe ich zum Lunch?« fragte sie. »Stadtrat Snider«, antwortete er.
»Sagen Sie ab und rufen Sie West an«, sagte sie. »Sagen Sie ihr, Sie möge um zwölf in meinem Büro sein.«
Kapitel 11
Der Presto Grill lag in keiner guten Gegend. Sein Name war ein Akronym und stand für Peppy Rapid Efficient Service Tops Overall - Peppys schneller Service übertrifft sie alle. Jeder Cop in Charlotte Mecklenburg und Umgebung wußte, daß Hammer und West jeden Freitagmorgen im Presto frühstückten. Wie genau das überwacht wurde, davon hatte nach Ansicht der Cops keine von beiden eine Ahnung. Denn niemand, dem daran gelegen war, seinen Posten zu behalten, würde auch nur das geringste Risiko eingehen, daß dem Chief oder dem Deputy Chief irgend etwas zustieß. Das kleine Grillrestaurant sah noch immer so aus wie in den vierziger Jahren als es gebaut worden war. Es lag, von schlecht asphaltierten Parkplätzen umgeben, an der West Trade Street, nur wenige Schritte von der Mount Moriah Primitive Baptist Church entfernt. Wenn es das Wetter zuließ, und das war an diesem Tag der Fall, kam Hammer zu Fuß vom Hauptquartier hierher. West dagegen ging keinen Schritt zu Fuß, wenn sie genausogut fahren konnte. Aber heute hatte sie keine Wahl.
»Hübscher Anzug«, stellte Hammer fest. West hatte beschlossen, ihrer Uniform einen freien Tag zu gönnen, und trug eine rote Bluse zu einem leuchtendblauen Hosenanzug. »Warum tragen Sie nie Röcke?« fragte Hammer.
Das war keine Kritik, sondern Neugier. West hatte eine sehr gute Figur und schlanke Beine.
»Ich hasse Röcke«, antwortete West außer Atem, denn Hammer lief bei weitem nicht in normalem Tempo. »Für mich sind schlauchenge Röcke und hohe Absätze Teile einer männlichen Verschwörung.
Wie das Einbinden der Füße im alten China. Sie wollen uns verkrüppeln. Uns einschränken.« Sie atmete schwer. »Interessanter Gesichtspunkt«, stellte Hammer nachdenklich fest.
Officer Troy Saunders vom Bezirk David One hatte sie als erster entdeckt. Zuerst zögerte er, dann bog er schnell in die Cedar Street ein, um nicht gesehen zu werden. Sollte er die Kollegen da draußen warnen? Er durchlebte noch einmal den Alptraum von Hammers Überraschungsauftritt im Bereitschaftsraum und dachte an ihre nachdrückliche Warnung, keine Leute zu verfolgen oder zu nötigen, sie auszuspionieren oder sich an ihre Fersen zu heften, aus welchem Grund auch immer. Könnte der Chief es als Nötigung auffassen wenn er, Saunders, sie und West beim Lunch überwachte oder ausspionierte? Verdammt. Saunders blieb mit klopfendem Herzen auf einem All
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