Die Hosen Des Herrn Von Bredow
fest.«
»Eva, nein, Du sollst es nicht.«
Sie nahm sie in ihre Arme und küßte sie ab. »Wenn's Sünde ist – ach Du mein Gott, das Leben wird Einem doch recht schwer gemacht! Was soll nicht alles Sünde sein! –«
»Es muß ja sein, hast Du gesagt, Mutter!«
»Freilich muß es sein.«
»Wir ziehen die Schuh aus.«
»Du liebe Unschuld, wär's damit gethan! 'Ne Mutter muß die Tochter nicht zum Bösen verleiten. Ich kann's auch besser in der Beichte vortragen.« Der edle Wettstreit ward endlich dahin geschlichtet, daß beide die Schuhe auszogen.
Der gute Knecht Ruprecht hatte die Angeln der Thür geschmiert, sie knarrten wenig, und Eva hielt die Hand so vor der Ampel, daß sie keinen Schein auf den Schlafenden warf. Das Licht ward vorsichtig in eine Blende hinter dem Bett gestellt, und Mutter und Tochter winkten sich, die Finger vor dem Mund. »Eva!« flüsterte jene noch, »wenn er auffährt, laufe fort; ich will's schon allein mit ihm abmachen.« Ich glaube, Eva wäre nicht fortgelaufen; das Kind hatte nicht geantwortet.
Wie ruhig er lag, wie in gemessenen, festen, ernsten Absätzen Herr Gottfried schnarchte! Den Richter, der ihn einst richten wollen um das Verbrechen, das geharnischt vor'm Thor stand, hätte ich an das Bett führen mögen und fragen: Kann ein Hochverräther so schlafen? Es waren keine Töne, die unregelmäßig wie der erstickte Athem des Schuldbewußtseins vorbrechen aus der geängstigten Brust; nein, es waren die ruhigen kraftvollen Pulsschläge eines gesunden Organismus. Aus tiefster Brust kamen sie, wie Boten, daß Alles da in Ordnung sei, daß diesen Mann keine Träume ängsteten, und wenn Träume um ihn spielten, waren es Spiegelbilder der Selbstzufriedenheit mit einem von keinen Zweifeln zerrissenen Dasein.
Herr Gottfried schlief auf dem Rücken, die kräftigen Arme über den Kopf ausgestreckt. Ueber dem gewaltigen Deckbett hing noch ein bunter, schön gewebter Teppich bis zum Boden. Sein Ahnherr, der mit Ludwig dem Baiern in Tirol gewesen, hatte ihn mitgebracht, als ein Angebinde der durchlauchtigen Fürstin, Frau Margarethe, Maultasch genannt. Wenn der Ritter unruhig schlief, lag der Teppich, wohl auch das Deckbett, auf der Erde. Ein gutes Zeichen für die Frauen, daß heut die Decken lagen, als habe sie der Kaspar erst über seinen Herrn gebreitet. Aber wo nun suchen? – Da sahen sich plötzlich beide lächelnd an, und beide Fingerspitzen zeigten auf denselben Punkt. – Er lag mit dem Kopfe drauf! Ach, ein geschickter Dieb stiehlt auch das Pfuel unter dem Kopfe fort; aber die Beinenden hatte er sich um die Arme geschlungen und noch mit der Schnur fest an's Gelenk gebunden. Wer sollte sie ihm da stehlen! Im Lager und im Kriege möcht' ich das nicht rathen; wie will er aufspringen, wenn die Lärmtrompete dröhnt! Aber auch im eignen Hause half's dem guten Herrn Gottfried wenig, denn wo siegt nicht Weiberlist über Männerklugheit!
Da hielt die Mutter die Ampel etwas in die Höh' und Eva streichelte mit ihrem kleinen Finger des Vaters Bart. Er lächelte vergnügt: »Katze, was willst Du?« brummte er freundlich. Er drehte den Kopf, die eine Hand ward frei. Die Schleife des Riemens war gelöst.
Was beschreibe ich's nun, es ließe sich wohl besser malen, wie Eva mit verhaltenem Athem und mit einem Elfengriffe Herrn Gottfried den Kopf so sanft hielt, daß er im weichsten Pfuel nicht weicher liegen konnte, und die Mutter zog leise, leise unter dem Kopfe. Nun hielt sie's in der Hand, nun athmete sie wieder, nun ließ Eva den Kopf sanft auf das Kissen gleiten, und Beide sahen sich an. Es war gelungen.
»Auch das!« dachte Frau Brigitte, als sie den Degen des Ritters an der Wand sah; aber Eva griff ihr in den Arm: »Mutter, Du wirst doch nicht dem Vater sein Schwert nehmen!« Nein, ein freier Mann durfte nicht ohne sein Schwert sein, auch auf die Gefahr, daß er es gegen seinen Fürsten zog. Das war jedem damals klar, auch dem Fürsten, und die gute Frau von Bredow erröthete, daß es ihr nur auf einen Augenblick aus dem Sinne gekommen.
Die Wagen rollten schon auf dem Damme, und die letzten Reiter harrten der Nachzügler, als die Edelfrau und ihre Tochter über den dunklen Hof kamen. Noch einmal schaute Frau Brigitte auf die großen Schatten der Thürme und Mauern, und die starke Frau zitterte etwas, als die lange, dunkle Gestalt des Knechtes Ruprecht stumm vorüberschritt, und, ihrer wartend, an das Fallgitter sich stellte. Da gelobte sie, wenn Alles gut abginge, der Mutter
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