Die Hosen Des Herrn Von Bredow
kalten, gleichgültigen Gesichte; ob er aber bei sich denkt, was wir doch für Thoren sind, das weiß kein Mensch.
Ueber den Sturm konnte er sich wundern, denn er war ein Orkan geworden, wie dessen die ältesten Leute sich nicht entsannen. Wie er den Wald gepeitscht, als wären die Baumwipfel Meereswellen, hatte er auch an der Burg gerüttelt, daß die Balken knackten. Das Storchnest war von der Firste geworfen, im Schieferdache hatte er gewühlt und gewirthschaftet, und der Giebel, der schon überhing, sich noch um einen halben Schuh nach vorn geworfen. War das nicht zum Verwundern, daß der Giebel noch hielt, so war es doch, daß der Hausherr in der Erkerkammer auch davon nicht aufgewacht war! Und nach solchem Sturm eine solche Ruhe!
Winde im Spätherbst bringen Kälte und Frost oder Schlacken; aber als wäre nur das wilde Heer vorübergeras't, so war es still geworden darauf, und die Nachtluft schwül. Und das war doch auch zum Verwundern, daß man nirgend mehr etwas sah von der großen Wäsche. Sie war eingebracht und Alles an seinem Fleck; zwei Stunden schon nachdem der letzte Wagen über die Zugbrücke rollte, und nichts war verloren gegangen auf dem langen Wege. »Das ist eine Frau, die nimmt's auch mit Wetter und Wind auf!« sprachen die Dienstleute.
Nun dampften die Kessel über dem prasselnden Feuer und die Schinken brodelten und schwitzten am Spieß. Auch in den Keller war sie gestiegen und hatte an den Fässern gezapft, und die Knechte trugen schwere, volle Kannen in den Flur. Denn nach der Arbeit ziemt den Leuten Ruhe und auch etwas mehr, dachte die Hausfrau, nur sich selbst gönnte sie's nicht, denn während die andern um den großen Tisch saßen, stieg sie noch treppauf, treppab, und ihr Schlüsselbund klirrte durch den Becherklang.
Hoch war die Halle gerade nicht, und auch nicht gewölbt. Die Balken angerußt vom Rauch, wenn er aus dem Kamin zurückschlug, drückten wie braune Rippen über den Köpfen, und was von Schnitzwerk ehemals daran gewesen, davon war nicht mehr viel zu sehen; und wo die Schnörkel und Spitzen noch hielten, hatte man sie benutzt, wie man mit Wandnägeln thut. Da hing ein Schild, ein Harnisch, ein Helm, auch wohl ein Kessel, oder gar ein Schinken daran. Der Boden war festgestampfter Lehm und die Tische und Bänke von solchem Kerneichenholze, daß es dem Zimmermann Schade gedünkt, viel mit Hobel und Meißel daran zu schnitzen und zu glätten. Eine Schwelle nur und eine Thür schied die Halle vom Hofe. Wenn die Thür aufging, drang Regen und Wind ein; darum that man sie lieber nicht zu, wenn es nicht zu arg stürmte und stiebte. Und das kam dem Feuer im Kamine zu gut; denn wenn der Rauch, der seine Launen in alten Häusern hat, nicht hinaus wollte, wo er hinaus soll, und lieber im Saal bleiben mochte, zwang ihn die Zugluft, daß er prasselnd durch den Schlott fuhr. Und für den Schornstein war es auch gut, daß die Flammen nicht zu lange darin spielten und weilten, denn er war von Holz; zwar waren's junge Eichenstämme, mit Weidenruthen durchflochten und mit Lehm gefüttert; aber wenn das Feuer nicht durch wollte, fingen die Wände doch auch an zu sengen, und wenn die Frau es merkte, mußte ein Knecht auf's Dach und einen Eimer Wasser hinuntergießen. Schadete gar nichts; der Rauchfang stand schon über hundert Jahre und noch mehr konnte er stehen, wenn nur immer Einer da war mit einem Eimer Wasser. Zwar das Feuer ging dann aus, aber Holz war immer da.
Holz und Luft war der Reichthum unserer Väter, und an beiden war auch im Saal der Bredows auf Hohen-Ziatz ein Ueberfluß. Die Luft kam wie gesagt durch die Thür und durch den Schlott, aber außerdem auch durch die Treppenmündung aus dem oberen Geschoß. Denn nicht weniger als zwei Treppen führten zu beiden Seiten des Heerdes, den wir eigentlich mit Unrecht Kamin nannten, hinauf, schwer, eckig und fest und mit rothem Schnitzwerk verziert. Und so wenig es an der Treppe, war das Holz an den Wänden gespart, die mit glatten, bunt gestrichenen Bohlen von oben bis unten ausgelegt waren. Wäre der Rauch und das Alter nicht gewesen, hätte man noch die sieben Todsünden daran erkennen und manchen frommen Spruch lesen mögen. Aber das Alter drückte überall auf das Haus und seine Balken, und was ehedem in der Richte war und sich schickte, das war heute nicht mehr in der Richte und schickte sich auch vielleicht nicht mehr.
Ehedem, wenn hier der Herr saß und tafelte mit seiner Familie und seinen Knechten, die Herren und die
Weitere Kostenlose Bücher