Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Hosen Des Herrn Von Bredow

Titel: Die Hosen Des Herrn Von Bredow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
Vom Netzwerk:
Wald den Andern nach.
    Wer das vorhin gesehen und es nun sah, hätte mit guten Ehren an einen Hexensabbath denken mögen. Noch eben so viel Wirtschaft und Wirrwarr, und kaum das Viertel einer Stunde, so war es still und einsam am Lieper Eck. Menschen, Thiere und Wagen waren in den Wald verschwunden. Noch hörte man die Räder knarren, noch das Blasen des Hornes, wenn der Sturm einen Augenblick schwieg, aber von Allen, die hier eine Woche so lustig handtirt, war nicht übrig geblieben ein Tüchlein am Strauch, nicht ein Strumpf in den Büschen. Das Auge der Edelfrau spähte wie der Uhu durch Sturm und Nacht, das Verlorene wieder zu holen.
    Wenn noch etwas Weißes durch die Föhren jagte, war es der Schaum vom See, den der Sturm auftrieb. Wenn es sich noch regte in der Dämmerung, waren es die Stämme, die sich schüttelten. Wenn noch Stimmen ertönten durch das Nachtgrauen, waren's die Eulen, und fernher schlich der Fuchs, zu sehen, ob auch für ihn nichts im Lager zurückgeblieben.
    Doch war noch ein menschlich Wesen zurückgeblieben in der Nachteinsamkeit. Es stöhnte tief auf wie der Schmerz in einer Brust, die lange, lange ihn verhalten, und nun kann er sich Luft machen, da seine Peiniger nicht da sind. Kreischend, rauh, halb Verzweiflung, halb teuflischer Grimm, preßten sich die Worte heraus, als der Krämer Hedderich sich aufrichtete:
    »Schinder und nicht Menschen! Raubmörderisch Gesindel, und das heißt Burgfrieden! Was wär's denn schlimmer, so ich den Köckeritz und Lüderitz in die Hände fiel! –«
    Wie er zähneknirschend beide Hände gen Himmel ballte, da leuchtete der Mond durch die zerrissenen Wolken auf ein häßlich Gesicht, ein Gesicht, über das der böse Feind sich im Stillen freut. Den braucht er nicht zu ködern, nicht Reiche zu verheißen; selbst sucht er ihn auf am Kreuzweg.
    »O Ihr Edelleute, Ihr Ritter, Ihr Herren, Ihr Gewaltigen, einen Wurm zertreten, ihn kitzeln mit den Spießen, daß die Eingeweide ihm brennen, ihn rollen mit den Sporen im Sande, schinden und anspeien! Das ist Zeitvertreib, juchheißa! Sanct Nikolas hilf mir, ich wollt mir auch das Herz aus dem Leibe lachen, wie 'nen Maikäfer Euch zappeln lassen am Faden, reißen und schmeißen. Sohlen hab' ich wie Ihr, langsam zertreten, wie ein Regenwurm solltet Ihr Euch krümmen, Stück für Stück; Stück für Stück habt Ihr mich auch zerschlickt, meine Seiden, meine Tücher, meine Wollen! Allbarmherzige Mutter Gottes, gnadenreiche – Pestilenz, Höll' und Teufel, ein verlorener Mann bin ich, wenn sie –«
    Er schien nicht zu wagen, den Gedanken auszusprechen. Er zitterte, fuhr mit der Hand durch die wilden Haare, warf sich auf das Gepäck, umklammerte es, und doch suchte er schon durch verstohlene Drücke den Inhalt der Ballen zu prüfen, während er die dürren Finger zum Gebete zusammenpreßte.
    Stück um Stück umwerfend, kam er an ein Pack. Der Angstschweiß perlte auf seiner Stirn. Jetzt konnte er es mit dem Finger erreichen. Er klopfte daran; ein feiner Silberklang antwortete. Des Mannes Züge erheiterten sich, oder vielmehr ein grinsendes, widerwärtiges Lächeln breitete sich um seinen Mund. Die thierische Lust flammte auf. Höhnisch lachte er auf, und die Hand, eben noch zum Gebet gefaltet, schnellte die Finger höhnisch:
    »Habt Ihr das nicht gefunden, Ihr Geier von Rabenstein, Ihr Habichte vom Garaus, Ihr Falken vom Lug in die Noth! Blinde Köter bellen zu früh. Aber wartet nur, die Wölfe haben zu lang die Hürde umschlichen. Die Gerechtigkeit wird losgebunden; Euch wird Heulen und Zähnklappern kommen, wenn sie Euch in die Waden fahren. Ich bin ein schlechter Mann, aber Euch soll's schlechter gehen als meinem schlechtesten Hund. Der Kurfürst, sagt Ihr, ist ein Knabe. Aus Knaben werden Männer, was aber aus Euch werden wird, fragt nach des Henkers Freiknechten. Mir im Burgfrieden die Rosse ausspannen, mein Gefährte umschmeißen, wer zählt die Stücke! Und die Rieme zerrissen. Wer knüpft mir die Riemen zusammen? Der Deckel ist eingeschlagen. Ich will klagen. Schwören will ich, auf den Hals Euch schwören, so wahr Niemand hier mich hört, Gold und Perlen waren drin, drei Tausend – Ave Maria, was ist das?«
    Es rauschte und klatschte. Der Sturm hatte doch ausgetobt, nur ein leiser Luftzug wehte noch.
    Es rauschte und klatschte; ein Wesen erhob sich in den Lüften, langsam zwei Riesenarme unter den Kiefern.
    Klaus Hedderich war wie eine Katze vom Wagen geglitten. Drunter lag er, platt auf der Erde,

Weitere Kostenlose Bücher