Die Hosen Des Herrn Von Bredow
sie, würde den Zorn des Markgrafen wecken. Aber Joachim sah den Alten nur ernsthaft an, dann winkte er ihm fast freundlich:
»Du thust Recht. Der gute Mann muß froh sein mit den Seinen, und wenn sie traurig sind, mit ihnen trauern.«
Er legte die Kette wieder seitwärts auf das Kissen, als wolle er sie für den noch aufheben, der sie von sich wies.
»Wilkin Lindenberg!« rief er, das dritte Band aufnehmend. Ein leises Athmen ging durch die Versammlung, als habe man's erwartet. Schwer wär's zu sagen gewesen, ob auf den Gesichtern nur lauter Freude oder auch der Neid mitsprach.
»Was lächelt Ihr?« fragte leis sein Nachbar den Dechanten von Altenbrandenburg, der mit einer eigenen Bewegung die Hand über das Gesicht brachte.
»Ich lächeln!« und die Hand fuhr schnell zur andern, und beide hoben sich gefaltet zur Brust. »Das Glück lächelt so selten denen, die es verdienen, sagen die Kinder der Welt; wir Andern freuen uns daher, wenn es einmal nach Gottes unerforschlichem Rathschluß einen Würdigen trifft.«
»Das ist der Lindenberger.«
Ein stiller Händedruck bestätigte es: »Wenn Ihr ihn erst kenntet, wie ich ihn kenne. – Still, er redet.«
»Lindenberg, ich will Dich nicht erröthen machen, noch die Andern, indem ich Dich vor ihnen lobe. Was Deine Stimme im Rathe gilt, was Du gethan für Deinen Fürsten, das mögen sie sich sagen lassen von denen, die in meinem Rathe oft auf Deine Worte lauschten. Aber was Du mir gewesen bist, die Säule, an die ich in den Stunden der Mutlosigkeit lehnte, der frische Lufthauch, wenn des Tages Hitze mich niederwarf, der kalte Wind, der mich aufrüttelte, wenn ich ermattend in Schlummer sank, wo ich wachen sollte, der einzige Geist,« setzte er leiser hinzu, »unter so vielen Schemen, der mich versteht, das mögen sie Alle hören, mögen sie Dich darum neiden, solcher Neid ist gut, er weckt Nachahmung. Du, der einzige, den ich ganz wahr erfunden, weil Du mir Wahrheit, die volle Wahrheit ins Gesicht sagtest. Das ist Rittertugend, die nicht der Ehrenketten bedarf, sie lohnt sich selbst. Darum schlinge ich diese hier um Deinen Hals, nicht als Lohn, sie soll die Kette sein, die Dich und mich, will's Gott, auf ein langes Leben zusammenfesselt. Knie nieder, Freier von Lindenberg.«
Auf des Fürsten Lippen schwebten noch die Worte: »So gedenke ich der Stunde gestern,« aber er sprach sie nicht aus; denn Lindenberg kniete nicht vor ihm. Er war vorhin um einen Schritt näher getreten, aber plötzlich war er stehen geblieben, und blaß, mit halb übergebeugtem Oberleibe, stierte er, nicht auf Joachim, sondern wie auf einen Geist, der, aus der Erde aufgeschossen, ihm den Weg verträte.
Die Andern sahen einen kleinen, nicht schönen Mann, von gemeinem Wesen und niederer Tracht, der hinter dem Fürsten stand, sein Gesicht wie der Hahn, dem der Kamm schwillt, seine Augen funkelten, und aus dem grinsendem Munde leuchteten Zähne wie die eines Raubthiers, das sich zum Sprunge anschickt. So stand er da, halb gebückt, und streckte die Fäuste aus:
»Er ist's!«
»Was ist Dir, Linderberg?«
»Ein Schwindel – Die zu große Gnade meines Herrn. Es ist nichts.«
»Du zitterst. – Meinen Leibarzt!«
»Er ist's!« kreischte der Krämer, »der mich fing, warf, band. So wahr Gott im Himmel lebt, der ist's, Herr Kurfürst.«
Joachim erblickte jetzt erst den Mann, der wie ein Unhold aus der Erde geschossen, dessen Stimme wie Rabengeschrei in einer frohen Musika tönte.
»Elender! Du lügst –« Aber plötzlich verstummte er, als fehle ihm der Athem. Das dunkle Blut, das ihm ins Gesicht gestiegen, verschwand, und das Antlitz ward einen Augenblick weißer als seines Günstlings. Er brachte die Linke an seine Brust, er athmete auf und seine Augen hafteten auf dem Ritter, der seine niederschlug.
»Das ist zu arg!« schrieen viele Stimmen. – »Den Arzt! Der Markgraf wird unmächtig!« – »Bei den Haaren, bei den Füßen ihn rausgeschleift!« schrieen Andere.
Der Mann erhob sich auf seinen Zehen, er streckte die Arme in die Höh', er rieb die Hände, er zitterte. Aber da er den Kurfürsten ansah, sank er auf die Knie und faltete die Hände: »Laßt mich zerreißen, wenn ich nicht die Wahrheit rede.«
»Dem Kurfürsten vergeht die Sprache.« »Er ist ein Hexenmeister!« schrieen Andere. »Den Büttel her!«
Joachim winkte mit dem Arm. Er hatte die Sprache wieder gewonnen: »Gieb Antwort dem Manne!«
»Gottes Donner und Blitze!« schrie Otterstädt, der das Schwert halb gezückt
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