Die Hudson Saga 01 - Haus der Schatten
ich.
»Du hast sie noch nicht kennen gelernt?«
»Nein. Komm mit.Wir unterhalten uns in der Küche. Du kannst mir beim Kochen helfen.«
»Kochen? Du bereitest selbst das Essen zu?«
»Ja«, sagte ich lachend. Sie wirkte immer noch überrascht. »Das ist doch wirklich nichts Besonderes.«
»Meine Mutter lässt mich nie etwas machen – außer einmal Brownies, als ich noch ganz klein war.«
»Ich habe oft für die Familie gekocht, weil Mama lange arbeiten musste oder müde nach Hause kam«, sagte ich, als wir die Küche betraten.
»Was machst du heute Abend?«, fragte sie und schaute in die Schüsseln, die ich auf die Theke gestellt hatte. Offenbar sagte sie die Wahrheit. Jeder mit nur der geringsten Küchenerfahrung wüsste, was ich machte.
»Backhähnchen. Erst schlage ich die Eier, dann tauche ich die Hühnchen ins Mehl, danach in die Eier und schließlich in gewürztes Paniermehl.«
Ich zeigte ihr an ein paar Stücken, wie man das machte.
»Was tun wir als Nächstes?«
»Wir geben die Stücke in die Fritteuse.«
Auf dem Herd hatte ich Bohnen. »Du kannst die Kartoffeln stampfen. Sie sind bereits gekocht.«
Sie sah aus wie im siebten Himmel, dass sie mir helfen durfte.
»Ich muss auf die Kekse aufpassen«, sagte ich ihr. »Roy sagt immer, ich lasse sie fast verbrennen.«
»Roy ist dein Bruder?«
»Ja«, sagte ich. »Erzähl mir von Mrs Hudsons Enkelkindern.«
»Ich habe nicht sehr viel Zeit mit ihnen verbracht. Alison interessierte sich nicht besonders für mich. Brody war nett. Er sieht sehr gut aus, so gut wie Corbette Adams.«
Ich lächelte.
»Was ist?«
»Corbette hatte mich heute abgeholt, um bei ihm unsere Rollen zu proben.«
»Oh«, sagte sie. Sie klang enttäuscht. Vermutlich war sie, genauso wie die meisten Mädchen, die ich in Dogwood kannte, in ihn verknallt und träumte davon, das Objekt seiner Aufmerksamkeit zu sein.
»Wusstest du, dass er seine eigene kleine Wohnung in der Scheune hat?«
»Ja. Sie ist berühmt«, sagte sie.
»Wie bitte? Wie meinst du das, berühmt?«
»Viele Mädchen sind schon dort gewesen. Ich nicht«, fügte sie rasch hinzu.
Sie stampfte die Kartoffeln fester. »Aber Corbette bleibt nicht lange bei einem Mädchen. Ich habe keinerlei Erfahrungen mit Jungen, aber ich möchte dich vor ihm warnen. Ich würde da nicht hingehen, selbst wenn er mich einlädt«, versicherte sie mir.
Ich lächelte in mich hinein. Das hörte sich an wie die Fabel vom Fuchs und den Trauben. Mama zitierte sie ständig: Der Fuchs versuchte die Trauben zu erwischen, aber sie hingen zu hoch. Nach wiederholten Versuchen erklärte er, sie wären sowieso sauer.
»Er ist nicht so schlimm wie sein Ruf«, sagte ich.
Ich holte einige Hühnerstücke heraus und legte sie auf einen Teller. Sie sahen wunderbar aus und rochen auch so.
»Er hat aber einen gewissen Ruf. Die anderen Jungen nennen ihn den König der Kirschpflücker.«
»Was? Warum?«
»Er prahlt damit, wie viele Jungfrauen er schon verführt hat«, sagte sie, und ihr Gesicht wurde feuerrot.
Ich lächelte sie an und schüttelte den Kopf.
»Das sind vermutlich alles nur Gerüchte. Jungen prahlen in der Umkleide immer viel.Tatsächlich ist er sehr sensibel. Es war nicht sehr leicht für ihn seit dem Tod seines kleinen Bruders. Er hat mir sein Herz geöffnet und mir alles erzählt.«
»Was?«
»Dass sein jüngerer Bruder an einer Blutkrankheit gestorben ist«, sagte ich. »Er war erst vier.«
Sie starrte mich einen Augenblick an. Ich schaltete die Platte unter den Erbsen ab und schüttete sie in eine Servierschüssel. Als ich Audrey wieder anschaute, starrte sie mich noch immer mit dem gleichen seltsamen Gesichtsausdruck an. Sie sah aus, als hätte sie gerade ihren Kaugummi verschluckt.
»Was ist?«, fragte ich. »Du siehst plötzlich so merkwürdig aus. Findest du immer noch, Kochen ist so schwierig?«
»Nein. Ich dachte nur darüber nach, was du gerade über Corbettes kleinen Bruder gesagt hast.«
»Und?«
»Ich wusste nicht, dass er gestorben ist.«
»Oh ja. Eine sehr traurige Geschichte. Er war erst vier Jahre alt«, sagte ich. »Du trägst die Kartoffeln und die Bohnen hinein. Ich nehme das Hühnchen. Der Tisch ist gedeckt und …«
»Vier Jahre alt? Nein, er ist ungefähr acht. Ich weiß es, weil meine Mutter in dem gleichen Wohlfahrtsausschuss ist wie Corbettes Mutter, und sie erkundigt sich immer nach ihm.«
Ich hielt inne, den Kopf geneigt.
»Ich verstehe nicht, was du damit sagen willst, Audrey.«
»Corbettes
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