Die Hudson Saga 01 - Haus der Schatten
Ken legte seine großen Pranken darauf, und bevor ich mich versah, war alles weg.«
»Erzählst du mir jetzt alles, Mama? Keine Lügen mehr«, fügte ich hinzu.
»Ich habe dich nicht belogen, Kind. Ich habe an dich immer nur als mein eigenes Kind gedacht und liebte dich so sehr, wie ich eine Tochter nur lieben konnte«, nahm Mama für sich in Anspruch.
»Über die Familie hast du gelogen, Mama. Du hast behauptet, ich käme nach den Großeltern. Du hast eine Menge Geschichten erfunden, Mama«, erinnerte ich sie.
Sie lächelte, statt schuldbewusst auszusehen.
»Ich wollte doch nur, dass du das Gefühl hast, dazuzugehören, Rain. Ich habe diese Geschichten so oft erzählt, dass ich sie am Ende selbst glaubte.«
»Jetzt ist es Zeit, die wahre Geschichte zu erzählen, Mama«, sagte ich.
Sie nickte, nahm den feuchten Lappen von der Stirn und setzte sich im Bett auf. Beni kam zur Tür und lehnte sich gegen den Rahmen.
»Ist das Rains Geheimnis?«, fragte sie, »oder habe ich ein Recht, das auch zu erfahren?«
»Das liegt bei Rain«, sagte Mama.
»Natürlich hast du ein Recht, es zu wissen, Beni. Du gehörst doch zu dieser Familie«, sagte ich ihr.
Sie kam weiter in das Zimmer. Mama schaute uns beide an, seufzte tief und fing an.
»Deine leibliche Mutter wurde schwanger mit dir, als sie aufs College ging. Sie war die Tochter reicher Leute, aber sie war aufsässig und nahm an Demonstrationen teil und kämpfte für die Bürgerrechtsbewegung. Dann geriet sie in Schwierigkeiten mit einem jungen Schwarzen – nein, Schätzchen, es war nicht Ken -, aber sie erzählte ihren Eltern nichts davon, bis es zu spät war, und es gab wohl ein ziemliches Theater.«
Sie hielt inne, und ich holte tief Luft. Ken war also nicht mein richtiger Vater. Ich konnte nicht anders, ich war erleichtert darüber. Ich hatte Angst, er hätte eine Affäre mit einem weißen Mädchen gehabt und mich einfach mit nach Hause gebracht und Mama gezwungen, mich als ihr eigenes Kind großzuziehen.
»Also, Ken arbeitete für ihren Vater, und der kam zu Ken und schlug vor, dass wir das Kind zu uns nehmen. Du solltest irgendwo heimlich zur Welt gebracht werden. Natürlich wurde Ken ganz aufgeregt bei der Vorstellung, so viel Geld zu bekommen, nur um ein weiteres Baby aufzunehmen.
Was kümmerte es ihn denn schon? Er war sowieso nie viel zu Hause.«
»Du konntest einfach ein Baby aufnehmen und so tun, als sei es dein eigenes?«, fragte ich sie skeptisch.
»Ich war wütend und wollte erst nicht, aber Ken brachte dich eines Tages einfach mit nach Hause, und ich hatte nicht vor, ein Baby auf die Straße zu werfen, also kümmerte ich mich um dich. So war das. Es ist schon lange her, Rain. Ich schwöre dir, Rain, ich denke nicht einmal mehr daran. Wir lieben dich alle, Schätzchen. Ich hoffe nur, du kannst die Dinge akzeptieren, wie sie sind. Wir sind deine Familie«, sagte sie.
»Hat meine leibliche Mutter mich je besucht?«, fragte ich.
»Nein, Liebling. Wir haben nichts mehr von diesen Leuten gesehen, seit du hierher gebracht wurdest. Es kam nicht einmal ein Anruf«, sagte sie.
Mir wurde schlecht, als ich das hörte.Wie konnte jemand sein eigenes Baby so leicht weggeben und es für immer vergessen?
»Sie nahmen uns das Versprechen ab, uns niemals mit ihnen in Verbindung zu setzen«, erklärte Mama.
»Sie wollten dich nicht sehen, weil du einen schwarzen Vater hast«, stellte Beni schadenfroh fest.
»Sei still, Beni. Du streust ja Salz in ihre Wunden.«
»Warum beschützt du sie immer, Mama? Selbst jetzt machst du dir mehr Sorgen um ihre Gefühle als um deine eigenen. Mein Gott, Mama, sie hat dich im Stich gelassen. Sie hält dich für eine Lügnerin«, beharrte Beni. »Warum ergreifst du ihre Partei und schreist mich an?«
»Ich ergreife niemandes Partei, Beni.«
»Beni hat Recht, Mama«, widersprach ich leise. »Ich hätte
dich nicht im Stich lassen und krank machen dürfen. Es war nicht deine Schuld, dass meine leibliche Mutter mich weggegeben hat.«
Ich schaute zu ihr hoch; in meinen Augen brannten heiße Tränen.
»Du hast mir mehr gegeben, als ich verdiene. Es war falsch von mir, wütend auf dich zu sein, Mama. Es tut mir Leid.«
»Fang jetzt nicht an zu weinen, Rain«, sagte Mama und schniefte selbst.
Als sie die Arme ausstreckte, trat ich auf sie zu und umarmte sie.Als ich einen Blick zu Beni warf, sah ich ihren gequälten Gesichtsausdruck.
»Ich hoffe, du hältst mich immer noch für deine Schwester, Beni«, sagte ich und trat
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