Die Hudson Saga 01 - Haus der Schatten
gab es ein altes Sofa, einen Sessel, einen abgestoßenen Holztisch, eine Stehlampe und einen ovalen Teppich mit Löchern.
»Das Badezimmer ist da drüben«, erklärte er und nickte zu einer schmalen Tür rechts.
»Danke«, sagte ich.
Er grunzte.
Wo schlief er, fragte ich mich. Und dann kam mir der Gedanke, dass es sein Ausziehsofa sein könnte.
»Da ist das Telefon«, sagte er nickend.
Zuerst sah ich es nicht. Dann fielen mir fast die Augen aus dem Kopf. Unter dem Tisch stand ein Spielzeugtelefon!
»Das ist kein richtiges Telefon«, gab ich leise zu bedenken.
Er schaute erst mich und dann das Telefon an.
»Aber sicher ist es das. Mein Junge ruft mich einmal in der Woche auf dem Telefon an«, teilte er mir mit. »Nur zu, benutz es.«
Ich stand da und wusste nicht, was ich tun sollte. Er ging in die provisorische Küche und begann seinen Sack auszuladen. Er holte Chipstüten heraus, in denen noch ein paar Chips übrig geblieben waren, Dosen, einige alte verrostete Werkzeuge, ein gesprungenes Glas und leere Bierflaschen. Offensichtlich hatte er in Mülltonnen nach Nahrung gesucht. Er behandelte alles, als sei es Gold. Schließlich legte er den alten Revolver auf den Tisch und schaute mich wieder an.
»Hast du angerufen?«
»Ja, Sir«, antwortete ich.
»Gut. Ich kann uns einen Tee machen. Heute habe ich keinen Kaffee bekommen«, entschuldigte er sich.
»Das ist schon gut. Danke«, sagte ich und wich langsam in Richtung Tür zurück.
»Ich habe einen Fernseher«, sagte er und langte hinter das Sofa, wo er ein altes kleines Schwarzweiß-Gerät hervorzog. Er stellte es auf den Tisch und machte es an. Dann spielte er an den Knöpfen, bis er Bild und Ton bekam. »Du kannst dich aufs Sofa setzen und warten und fernsehen, wenn du willst«, sagte er.
»Danke, aber ich sagte, ich würde draußen warten.«
»Es wird kalt draußen.«
»So kalt ist es gar nicht«, sagte ich und wich zur Tür zurück. »Der Frühling kommt doch.«
»Ja, und die Kirschblüten«, bestätigte er lächelnd. »Mein
Sohn sollte bald anrufen«, fügte er plötzlich hinzu. Er saß auf dem Sofa und starrte geradeaus.
»Wo ist Ihr Sohn?«
»Oh, er lebt oben in Rochester, New York«, sagte er. »Er ist Geschäftsführer in einem Restaurant.«
»Das ist schön.Was machen Sie?«, fragte ich.
»Ich? Ich bin im Ruhestand. Ich war hier der Wartungsmonteur. Jetzt bin ich … im Ruhestand. Ich würde mit hinauskommen und mit dir warten«, sagte er, »aber ich muss auf den Anruf meines Sohnes warten. Bleib in der Nähe und komm zurück, wenn diese Hooligans dich belästigen, okay, Fräuleinchen?«
»Danke.« Ich öffnete die Tür. »Oh, Entschuldigung«, sagte ich. »Wie heißen Sie?«
»Ich bin Norris Patton«, stellte er sich vor. »Ich war ein Halbschwergewichtschampion, als ich in der Armee war.« Er zeigte mir seine geschlossene Faust. »Sie nannten mich immer den Vorschlaghammer.« Er lachte, und ich sah, dass ihm hinten im Mund eine ganze Reihe Zähne fehlten.
»Danke, dass Sie mir geholfen haben, Mr Patton«, sagte ich.
»Aber gerne«, sagte er, und sein Gesicht verzog sich zu einem strahlenden Lächeln großer Freude. »Das ist er«, sagte er und griff unter den Tisch nach dem Spielzeugtelefon.
Ich beobachtete ihn einen Moment und trat dann auf die Straße hinaus. Würde das auch mein Schicksal sein, fragte ich mich.Würde auch ich mir einfach eine Familie vorstellen, jetzt da ich keine richtige mehr hatte?
Ich hatte eine allgemeine Vorstellung davon, in welche Richtung ich gehen musste, aber jetzt, wo es richtig dunkel war, war ich viel ängstlicher. Als ich mich der Ecke näherte,
sah ich jedoch ein vertrautes Fahrzeug in die Straße einbiegen, das sehr langsam fuhr. Eine Straßenlaterne beleuchtete die Aufschrift auf der Beifahrertür. Dort stand Slim’s Garage. Roy saß am Steuer. Sobald er mich sah, gab er Gas und fuhr rechts heran. Er sprang heraus und rannte schnell vorne herum.
»Rain, Gott sei Dank habe ich dich gefunden. Warum zum Teufel bist du weggerannt? Mama ist so in Panik, dass sie sich hinlegen musste. Was tust du hier?«, fragte er und schaute sich um. »Das ist eine Gegend. Hm?« Er starrte mich an. Er war so wütend auf mich wie noch nie zuvor.
Ich war so froh, ihn zu sehen, aber ich wusste nicht, was ich sagen oder tun sollte. »Weißt du denn nicht, warum ich weggerannt bin?«, fragte ich.
»Steig ein, Rain. Ich muss den Wagen zu Slim’s zurückbringen. Ich bin mit ihm losgefahren, sobald Mama anrief.
Weitere Kostenlose Bücher