Die Hudson Saga 01 - Haus der Schatten
und nickte zu ihrem Glas hin.
»Gut. Das wär’s also, Maurice.«
»Merci, Mrs Randolph«, sagte der Kellner und eilte davon, um ihren Wunsch zu erfüllen.
Obwohl ich wusste, dass es unhöflich war, konnte ich den Blick nicht von ihr abwenden. Sie hatte einen vollkommenen Teint, apricotfarbene Haut auf ihren hohen Wangenknochen und ein kleines Grübchen auf der linken Seite des Kinns.Tropfenförmige goldene Ohrringe baumelten an ihren Ohrläppchen. Jeder Ohrring war mit einem winzigen
Diamanten verziert. Als sie die Hände auf den Tisch legte, erblickte ich den größten Diamantring, den ich je gesehen hatte. Aus Anzeigen in Zeitschriften wusste ich, dass ihre Armbanduhr eine Rolex war.
»Lassen Sie mich damit beginnen, Mrs Arnold, dass ich Sie, wenn Sie mich angerufen haben als Teil des Versuches Ihres Ehemannes, noch mehr Geld aus meiner Familie herauszuziehen …«
»Ich will Ihr Geld nicht. Ich verfluche den Tag, an dem wir auch nur einen Cent genommen haben. Und die Wahrheit ist, dass ich nie viel davon gesehen habe und Rain auch nicht«, entgegnete Mama. »Ich brauchte keine Bestechung, um dieses Kind aufzunehmen«, sagte sie.
Meine Mutter schaute mich wieder an. Diesmal gestattete sie sich einen längeren Blick. Ihr Mund wurde weicher.
»Du bist sehr hübsch«, stellte sie fest, als sie mich schließlich direkt ansprach.
»Und sehr intelligent«, sagte Mama. »Sie bekommt ständig Einsen.«
Meine Mutter riss die Augen auf. Sie schaute auf den Tisch hinunter und schüttelte den Kopf.
»Also, da gibt es keine genetischen Ähnlichkeiten. Ich habe nur mit Ach und Krach das erste Examen auf der Universität bestanden«, sagte sie. Sie holte tief Luft.
Der Kellner brachte ihr den Drink, sie nahm das Glas und trank einen großen Schluck. Dann deutete sie auf die Speisekarten.
»Wir wollen etwas zu essen bestellen.«
Endlich bewies Mama einen gewissen Mangel an Selbstbewusstsein.
»Was möchtest du haben, Rain?«, fragte sie.
»Du magst bestimmt die crevettes au safron , Mama«, sagte ich.
»Ach ja?«
»Weißt du, was das ist?«, fragte meine Mutter.
»Shrimps in Safransauce«, erwiderte ich.
Sie zog die Augenbrauen hoch.
»Ich habe Französisch als Wahlfach«, erklärte ich.
»Ich sagte Ihnen doch, dass sie intelligent ist«, prahlte Mama.
»Bei dem Gericht darunter bin ich mir nicht so sicher«, gab ich zu. »Ich weiß, dass canard Ente ist, aber der Rest …«
»Das ist eine Stachelbeersauce. Mein Lieblingsgericht«, erläuterte meine Mutter. »Möchtest du das gerne haben?«
»Ja«, sagte ich.
Sie rief den Kellner und gab die Bestellungen auf.
»Also«, sagte sie, lehnte sich zurück und betrachtete Mama, »jetzt bin ich da, Mrs Arnold. Sie haben das Wort.«
»Das Wort?«
»Sie meint, du sollst ihr jetzt sagen, was du von ihr willst, Mama«, sagte ich leise.
»Oh.« Mama schaute erst mich und dann sie an. Sie schüttelte die Schultern und straffte den Rücken wie eine stolze Henne, was sie gewöhnlich tat, wenn sie eine dramatische Erklärung abgeben wollte. »Ich weiß, dass Sie nichts über uns wissen und über das Leben, das Rain all die Jahre geführt hat. Ich tat mein Bestes mit dem, was ich hatte. Ich hatte zwei weitere Kinder, einen Sohn und, nachdem Rain zu uns gekommen war, eine Tochter. Beni.Wir nannten sie so nach meiner Mutter Beneatha.«
»Tatsächlich?«, sagte meine Mutter, die gelangweilt hinund herrutschte. Sie nickte und lächelte jemandem am anderen
Ende des Raumes zu und trank einen weiteren Schluck von ihrem Drink.
»Ja. Nur wurde Beni vor ein paar Wochen ermordet«, entgegnete Mama.
Meine Mutter erstickte fast an ihrem Drink. Sie stellte das Glas ab und wischte sich rasch über den Mund.
»Ermordet?«
»Wo wir wohnen, ist das nicht so ungewöhnlich«, sagte Mama. »Häufig kommt es nicht einmal in die Zeitungen.«
»Das tut mir Leid.Was für eine grauenhafte Sache.Wurde der Mörder gefasst?«
»Nein. Er brachte sich mit einer Überdosis Drogen um, aber das ist auch egal. Es bringt uns Beni nicht zurück. Auf jeden Fall geht mein Sohn Roy zur Armee, und Ken, der Mann, den Ihr Daddy bezahlte, der Mann, der nie ein besonders guter Vater oder Ehemann war, hat wieder seinen Job verloren und betrinkt sich meistens. Ich werfe ihn hinaus.«
»Ich verstehe.« Sie rutschte auf ihrem Sitz hin und her, als säße sie auf einer Erbse. »Das alles tut mir ja Leid, aber ich verstehe nicht …«
»Ich kann nicht mehr«, jammerte Mama, »jetzt wo mein Mann weg ist, mein
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