Die Hudson Saga 01 - Haus der Schatten
Sohn in der Armee und meine Jüngste ermordet. Ich kann nicht mehr«, stellte sie abschließend fest und erhob dabei ihre Stimme gerade genug, dass meine Mutter sich umschaute, um sicherzugehen, dass wir keine Aufmerksamkeit erregten.
»Bitte, Mrs Arnold. Wir wollen unsere Unterhaltung doch auf diesen Tisch beschränken«, sagte sie.
»Mir ist es egal, wer mich hört«, fauchte Mama.
»Wenn Sie kein Geld wollen, was wollen Sie denn dann von mir?«, fragte meine Mutter starrköpfig.
»Was ich will?« Mama lehnte sich zurück. »Was ich will? Ich will, dass Sie die Verantwortung für Ihr eigenes Fleisch und Blut übernehmen. Das will ich«, erwiderte meine Mutter scharf.
Einen Augenblick lang starrte meine Mutter sie nur an. Sie warf mir schnell einen Blick zu und schaute dann wieder Mama an.
»Verantwortung übernehmen?« Sie schüttelte den Kopf. »Das verstehe ich nicht.«
»Was gibt es denn da zu verstehen? Sie ist Ihre Tochter. Sie sind diejenige, die sie auf die Welt gebracht hat. Es wird Zeit, dass Sie sie übernehmen.«
»Sie erwarten von mir, dass ich sie in meinen Haushalt aufnehme?«
»Ist es Ihnen denn völlig gleichgültig? Schauen Sie sie an«, sagte Mama und nickte mir zu. »Sie ist Ihre leibliche Tochter. Bedeutet Blut Ihnen denn gar nichts?«
Meine Mutter wollte gerade antworten, hielt dann aber inne, als der Kellner mit unserem Essen kam. Sie lehnte sich zurück und schaute zu, wie er uns bediente. Mama starrte auf ihr Essen und schaute mich mit einem verwirrten Lächeln an.
»Das sieht bestimmt nicht so aus wie irgendwelche Shrimps, die ich jemals gegessen habe«, sagte sie.
»Sie werden sie köstlich finden«, meinte meine Mutter mit leicht verzogenen Lippen.
»Möchten Sie sonst noch etwas, Mrs Randolph?«, fragte der Kellner.
»Nein. Merci, Maurice«, sagte sie. Sie beugte sich auf den Ellenbogen vor, schaute erst mich und dann Mama an. »Verstehe ich Sie richtig, Mrs Arnold. Sie wollen sie mir jetzt zurückgeben, nach all diesen Jahren?«
»Sie ist ein gutes Mädchen und ein schönes Mädchen. Jeder würde sie zur Tochter haben wollen. Sie hat mir nie Ärger bereitet«, sagte Mama.
»Das glaube ich. Aber das ist...« Sie schüttelte den Kopf und lächelte. »Das ist unglaublich.Woher soll ich denn wissen, dass sie diejenige ist …?«
»Mama, lass uns gehen«, sagte ich. Diese Worte schmerzten bitter.
»Nein«, fauchte Mama. »Woher sollen Sie das überhaupt wissen?« Mama lächelte kalt. »Sie wissen es. Schauen Sie sie an. Sie wissen es«, sagte Mama entschieden. »Ich bin keine dumme Frau, Mrs Randolph. Ich bin arm, aber nicht dumm. Es gibt medizinische Möglichkeiten, das zu beweisen, und das wissen Sie. Wenn wir das tun müssen, werden wir es«, drohte sie.
»Mama.«
»Einen Augenblick, Mrs Arnold …«
»Was erwarten Sie denn von mir, eine Anzeige in die Zeitungen zu setzen, uns alle in Verlegenheit zu stürzen?«
»Das ist Erpressung«, sagte meine Mutter wütend.
»Ich sagte Ihnen doch, dass ich Ihr Geld nicht will. Ich versuche, das Leben dieses Mädchens zu retten. Man sollte meinen, Sie wären froh darüber.Wenn sie dort bleibt, wo sie jetzt ist, wird sie früher oder später in Schwierigkeiten geraten. Ich habe mir in den Kopf gesetzt, dass ich das nicht zulassen werde. Wollen Sie mir eigentlich sagen, dass Sie sich all die Jahre nie gefragt haben, was aus ihr geworden ist, dass Sie nie an sie gedacht haben?«
Meine Mutter lehnte sich zurück und schaute mich an. In meinem Gesicht stand die gleiche Frage.
»Es ist nicht so, dass ich nichts mit ihr zu tun haben will«,
sagte sie mit sanfterer Stimme. »Natürlich habe ich an sie gedacht, aber mein Mann weiß nicht einmal etwas davon. Als er mich fragte, wer Ihr Mann sei, warum er anriefe und nach meinem Vater fragte, sagte ich ihm, ich hätte keine Ahnung.«
»Wie kommt es, dass er Ihren Vater nicht gefragt hat?«, wunderte sich Mama.
»Mein Vater starb vor zwei Jahren«, sagte sie.
»Vielleicht sollten Sie es Ihrem Mann jetzt erzählen.«
»Das kann ich nicht. Wir haben zwei weitere Kinder. Mein Mann ist ein angesehener Anwalt. Er wird in der nahen Zukunft für ein politisches Amt kandidieren. Das würde ihn zerstören. Nein«, sagte sie und schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Das steht außer Frage. Ich kann Ihnen aber vielleicht etwas Geld geben.«
»Geld«, stieß Mama hervor. »Leute wie Sie benutzen es wie Pflaster. Denken Sie nie an die Schmerzen, die Sie verursachen? Geld«, sagte sie. Mama
Weitere Kostenlose Bücher