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Die Hudson Saga 01 - Haus der Schatten

Die Hudson Saga 01 - Haus der Schatten

Titel: Die Hudson Saga 01 - Haus der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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leibliche Enkelin bin, dachte ich, aber sie bringt sich nicht gerade um, um mich kennen zu lernen. Ich konnte mir denken, wo ich in ihren Augen stand, und verharrte einige Augenblicke wutschnaubend auf der Vordertreppe.
    Das Geräusch eines Kofferraumdeckels, der hart zugeschlagen wurde, lenkte meine Aufmerksamkeit zur Garage, wo ich einen großen, schlanken, kahl werdenden Mann sah, der sich die langen Finger an einem Lumpen abwischte. Er trug ein dunkelblaues Hemd, eine dunkelblaue Hose und lächelte mich an.
    »Hallo«, begrüßte er mich. Er faltete den Lappen so sorgfältig zusammen, als wäre es ein teures Tuch.
    Ich stieg dieTreppe zu ihm hinunter. Die Sonne stand hinter ihm und ließ ihn aussehen, als trüge er einen Heiligenschein. Die kahle Stelle auf seinem Kopf glänzte. Als ich näher kam, sah ich, dass seine Augenbrauen den Verlust seiner Haare wettmachten. Sie wuchsen buschig und dicht über seinen dunkelbraunen Augen. Er hatte ein schmales Gesicht mit einem kleinen Kinngrübchen und einer Nase, die ein
wenig zu lang und zu dünn war, aber sein Lächeln war warm und freundlich. Er wirkte amüsiert, als ich näher kam.
    »Hallo«, sagte ich.
    »Sie sind die neue Zimmergenossin, hm?«, erkundigte er sich mit einem Lachen in der Stimme.
    »Wie bitte?«
    Er lachte.
    »Ich hörte von Mrs Hudson, dass eine junge Lady käme, um bei ihr zu leben. Ich bin Jake Martin«, sagte er und streckte mir die rechte Hand entgegen. Es war ein albernes Gefühl, meine winzige Hand in seine zu legen, weil sie darin verschwand und es aussah, als schüttelte er mein Handgelenk. »Ich kümmere mich um ihr Auto und fahre sie, wenn sie irgendwo hinwill, was heutzutage nicht allzu oft vorkommt.«
    Er beugte sich zu mir vor und zwinkerte mir zu.
    »Es ist ein leichter Job.Tatsächlich arbeite ich nur Teilzeit«, erklärte er und richtete sich wieder auf. »Wie heißen Sie?«
    »Rain Arnold«, sagte ich. Er nickte mit dem gleichen kleinen Lächeln, als hätte er das erwartet.
    »Haben Sie sie schon kennen gelernt?«, fragte er mit einem Kopfnicken in Richtung Haus.
    »Nein.«
    Er lachte.
    »Sie tut nichts, bis sie nicht dazu bereit ist«, sagte er. »Lassen Sie sich dadurch nicht kränken. Sie behandelt Sie nicht anders als jeden anderen Menschen.«
    »Das hört sich so an, als würden Sie sie nicht besonders mögen«, vermutete ich.
    »Oh, ganz im Gegenteil. Ich mag sie sogar sehr. Es gibt nur noch wenige wie sie. Sie war schon emanzipiert, bevor
– wie hieß sie noch gleich – auch nur an Frauenbewegung dachte«, sagte er.
    »Gloria Steinem?«
    »So ähnlich. Sie richten sich jetzt also hier ein?«
    Ich nickte.
    »Es ist so groß«, sagte ich.
    »Das ist es.« Er drehte sich um, damit er das Anwesen im Blick hatte. »Das gehörte einmal alles meinem Vater.«
    »Ihrem Vater? Aber …«
    »Er verlor das alles, als der Markt einbrach. Da kam Mr Hudson daher und kaufte es auf. Das ist schon viele Jahre her. Und jetzt bin ich wieder hier«, sagte er.
    »Waren Sie schon immer Mrs Hudsons Fahrer?«
    »Nein. Ich war fast zweiundzwanzig Jahre in der Marine. Ich habe die Welt gesehen«, verkündete er, »bin einmal rundherum gefahren. Ich habe eine Weile beim Radio und in der Werbung gearbeitet und bin dann für ein großes Hotel gefahren. Da kam Mrs Hudson und fragte mich, warum ich nicht zu ihr käme, sie herumführe und mich um ihr Auto kümmerte. Ihr Mann war tot, und sie hasste den bloßen Gedanken ans Fahren. Ich war bereit, mich halb zur Ruhe zu setzen, deshalb kam ich auf ihr Angebot zurück, und jetzt bin ich hier. Der Kreis hat sich geschlossen«, stellte er fest und schaute zum Teich hinüber.
    Er schwieg einen Augenblick und lächelte mich dann an.
    »Es wird Ihnen hier gefallen. Der Ort hier nimmt einen ein, verzaubert einen.Warten Sie ab, bis Sie gesehen haben, wie die Sonne über diesen Bäumen im Westen untergeht und die Enten zurückkommen und sich auf dem Teich niederlassen. Sie sind ein Mädchen aus der Stadt, höre ich?«
    »Ja, aus Washington, D.C.«

    Er nickte. »Also die Nächte sind entschieden leiser hier. Sie haben eine weise Wahl getroffen«, sagte er. Er öffnete die Autotür. Ich wollte sagen, dass ich gar keine Wahl getroffen hatte; sie wurde für mich getroffen, aber ich ließ die Worte auf der Zunge vergehen. Er stieg in den Rolls und fuhr ihn in die Garage. Dann zog er das Tor herunter.
    »Mein Rolls steht da drüben«, sagte er und deutete auf die Seite der Garage. Ich folgte ihm, als er zu einem neuen

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