Die Hudson Saga 01 - Haus der Schatten
betrachten.
»Sie sind Rain?«, fragte sie. Sie wirkte überrascht. Was hatte man ihr erzählt, fragte ich mich.
»Ja.«
Sie zog eine Grimasse, während ein Ausdruck von Verdruss und Ekel über ihr Gesicht huschte.
»Hier entlang«, sagte sie und wandte mir schnell den Rücken zu.
Ich zögerte. Das war meine Begrüßung? Ich warf einen Blick auf den Fahrer, der auf die Treppe zukam, und betrat die riesige lang gestreckte Eingangshalle mit cremeweißem Marmorboden. Zu meiner Rechten hing ein großer, breiter Spiegel in einem üppigen Eichenrahmen. Er reichte fast bis zur Decke. Zu meiner Linken stand ein passender antiker Eichentisch mit einer Zinnvase voller Narzissen.
Das Hausmädchen ging weiter auf die Treppe zu, blieb dann stehen und drängte: »Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.«
Ich eilte weiter, schaute die Gemälde an den Wänden an, erhaschte einen Blick auf das üppig möblierte Wohnzimmer links und das riesige Speisezimmer zu meiner Rechten. Aus dem Augenwinkel sah ich den Tisch, der anscheinend bis in den nächsten Bundesstaat reichte.
Das Hausmädchen ging schnell die mit Teppichboden ausgelegte Treppe hinauf. Daran entlang verlief eine Balustrade aus dunkelgrauem Marmor, über uns hing ein gewaltiger Kristalllüster. Das alles nahm ich so schnell in mich auf, dass ich auf einer Stufe stolperte und beinahe hinfiel.
»Passen Sie auf, wo Sie hintreten«, sagte das Hausmädchen mit mechanischer Stimme. Es hörte sich an, als sei sie programmiert worden, das zu sagen. Nicht der geringste Hauch einer echten Besorgnis um mein Wohlergehen war
zu spüren. Ich richtete mich schnell auf und eilte hinter ihr her, um sie einzuholen, aber sie wartete nicht auf mich, als sie den Treppenabsatz des ersten Stocks erreichte. Sie benahm sich so, als wollte sie das alles so schnell wie möglich hinter sich bringen.
Der Flur war breit und ebenfalls möbliert mit antiken Tischen und Stühlen, schönen Vasen, einer Bronzestatue eines Cherubs und Ölgemälden an jeder freien Wand. Die meisten Bilder zeigten Szenen aus der Kolonialzeit, manche waren Porträts von Männern und Frauen mit diesem aristokratischen überlegenen Blick, als schauten sie auf den Künstler herab, der sie malte. Ich hatte das Gefühl, durch ein Museum zu gehen.
An einer Tür blieb das Hausmädchen stehen.
»Das ist Ihr Zimmer«, verkündete sie und trat zurück. Ich drehte mich um und schaute in einen Raum von der Größe unserer Wohnung in Washington. Zwei Fenster gingen nach Osten und zwei nach Süden. Auf dem großen Himmelbett mit den dicken geschnitzten Pfosten lag eine rosaweiße, mit Spitze eingefasste Bettdecke. Alles im Zimmer sah brandneu aus – von dem hellrosa flaumweichen Teppich bis zu Schminktisch und Spiegel,Vorhängen und Schreibtisch rechts. Ich sah, dass es links einen begehbaren Wandschrank gab und direkt dahinter ein Badezimmer. Mein eigenes Badezimmer!
Mein Gesichtsausdruck entlockte dem Hausmädchen schließlich eine Reaktion. Sie lächelte fast, schaute selbst in das Zimmer und drehte sich dann zu mir um.
»Das war früher Miss Megans Zimmer«, sagte sie. »Mrs Hudson hat es mir erzählt. Passen Sie also gut auf, hören Sie?«
Das Zimmer meiner Mutter. Wie angemessen, dachte ich. Der Fahrer tauchte hinter uns auf.
»Wo ist Mrs Hudson?«, fragte ich.
»Sie ist noch nicht bereit, jemanden zu empfangen«, sagte das Hausmädchen. »Sie trug mir auf, Sie in Ihrem Zimmer unterzubringen und Ihnen etwas zu essen zu geben. Ich habe etwas Geflügelsalat vorbereitet. Wenn Sie sonst noch etwas haben möchten, müssen Sie warten.«
»Geflügelsalat ist doch prima«, sagte ich. »Danke. Ist sie krank?«, fragte ich.
Sie starrte mich einen Augenblick an.
»Ich rede nicht über Leute. Ich tue einfach meine Arbeit«, bemerkte sie mit einem Zucken der Lippen. »Sie finden alles, was Sie brauchen, im Badezimmer«, fügte sie hinzu. »Wenn Sie fertig sind, kommen Sie ins Esszimmer herunter und ich serviere Ihnen den Lunch.«
»Entschuldigung«, hielt ich sie auf, als sie gehen wollte.
Sie drehte sich um, ihre Lider flatterten verwirrt.
»Ja?«
»Wie heißen Sie?«
»Ich bin Merilyn«, sagte sie.
»Sie sind die Köchin und das Hausmädchen?«, hakte ich nach.
Diesmal lächelte sie, aber nicht herzlich. Es war eher, als hätte ich ihr eine dumme Frage gestellt.
»Hier sind nur ich und Mrs Hudson«, sagte sie, »und jetzt Sie. Ich glaube nicht, dass wir noch mehr brauchen, es sei denn, Sie machen viel Ärger«, fügte sie
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