Die Hüter der Nacht
wenn er kein vorheriges Wissen über die Informationen besaß. Der Text las sich wie Kauderwelsch, völliger Unsinn.
Ben begann noch einmal mit der Lektüre der Diskette und konzentrierte sich darauf, womit die später ermordeten Schüler die vier Firmen erpresst und mit der Preisgabe welcher Information sie gedroht hatten. Bei dem palästinensisch-israelischen Konsortium ›Partner für den Frieden‹ war es genau das, was er vermutet hatte: ein Betrug, der von jüdischen Geschäftsleuten wie Max Price inszeniert worden war, um mit palästinensischem Land reich zu werden. Die Schüler hatten herausgefunden, dass die palästinensischen Partner bei dem Handel eine hübsche Summe nur für die Benutzung ihrer Namen kassiert hatten.
Was die angesehene Anwaltskanzlei anbetraf, so hatten es die Schüler geschafft, eine große Anzahl von vertraulichen, beeidigten Erklärungen und eidlichen Aussagen bei Fällen zu sammeln, bei denen es niemals zum Prozess gekommen war, weil die Informationen nicht an die Öffentlichkeit gelangen durften.
Als Nächstes erschienen auf dem Bildschirm die Daten, die das Maklerhaus anbetrafen. Hier hatten die Schüler Aktennotizen gesammelt, die auf illegalen Insiderhandel in der Maklerfirma hinwiesen, bei dem öffentliche Ausschreibungen auf dem europäischen Markt manipuliert worden waren, was den Verantwortlichen ein paar hundert Jahre Knast eingebracht hätte, wäre die Wahrheit herausgekommen.
Das vierte Paket von Informationen, das Ben fand, bezog sich auf ein potenzielles Opfer, zu dem die Schüler niemals Kontakt hatten aufnehmen können. Eine kleine Privatklinik, die sich auf die diskrete Behandlung von Alkohol- und Drogensüchtigen spezialisiert hatte. Es waren die Namen prominenter Israelis aufgelistet, die sich dort hatten behandeln lassen.
Als Ben zu den letzten Informationen kam, erkannte er schnell, dass die Schüler auf die Erpressung der Klinikpatienten verzichtet hatten, weil sie ein viel größeres und angreifbareres Erpressungsopfer fanden: Hessler Industries.
Von den anderen Opfern waren jeweils hunderttausend Dollar gefordert worden. Bei Hessler Industries hatten die Schüler ihre Forderung auf eine Million hochgeschraubt. Ben las weiter und erkannte schnell, was die gestohlene Festplatte aus der Zentrale des Konzerns in Tel Aviv preisgegeben hatte.
Ben atmete schneller.
Die E-Mails an die Hessler Industries in Tel Aviv machten klar, was die Schüler herausgefunden hatten und wie sie ihr Wissen hatten einsetzen wollen. Sie hatten den Wert der Informationen gekannt.
Es ging um ein Vorhaben, das ›Projekt 4601‹ genannt wurde.
Ben las weiter und übersprang zuerst die spezifischen Daten, bis ihm klar wurde, was der vertrauliche Bericht über Projekt 4601 bedeutete.
O Gott …
»Was ist, Inspector?«, fragte Colonel al-Asi.
Ben starrte weiterhin gebannt auf den Bildschirm. War dies das Wunder, auf das er gehofft hatte? War es möglich, das er es gefunden hatte, während er nach etwas völlig anderem gesucht hatte?
»Inspector!«
Ben wandte den Kopf und sah, dass al-Asi über seine Schulter auf den Bildschirm spähte.
»Sie haben vor sich hin gemurmelt. Was ist los? Was haben Sie gefunden?«
Zum ersten Mal, seit sie sich kannten, beschloss Ben, einer Frage al-Asis auszuweichen. »Ich muss den Fußballstar Abdel Sidr sprechen, Colonel. Sofort.«
72.
»Sie haben mir erzählt, dass Paul Hessler Ihren Vater getötet hat.«
Hans Mundt antwortete nicht auf Danielles Worte, während sie am leeren Grab standen.
»Kommen Sie«, sagte er stattdessen und macht sich auf den Rückweg zum Wagen.
Danielle blieb nichts anders übrig, als ihm zu folgen, und sie stiegen beide in den Mercedes. Mundt fuhr kurze Zeit nach Norden gen Lecyca und bog dann auf eine schmale, holprige Straße ab, die durch den Wald führte. Dann folgte er eine kurze Strecke dem Fluss Bzura. Sie wusste nicht mehr, wie viele Kilometer sie zurücklegten, während zwischen ihnen Schweigen herrschte. Aber die Fahrt dauerte über zwei Stunden.
Schließlich hielt Mundt am Fuß eines Hügels mit flacher Kuppe. Er stieg aus und stieg den Hügel hinauf. Dann wartete er, bis Danielle neben ihm in Schritt fiel, bevor er endlich sein Schweigen brach.
»Wir haben soeben einen großen Teil der Strecke hinter uns, die Paul Hessler nach seinem Entkommen aus dem Arbeitslager westwärts zurücklegte.«
»Warum haben Sie mir erzählt, Paul Hessler hätte Ihren Vater ermordet?«, wollte Danielle wissen.
»Weil er
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