Die Hüter der Nacht
zur Allenby Bridge, der Brücke über den Jordan, sollte der Colonel es für nötig halten, seine Familie über die Grenze in Sicherheit zu bringen.
Al-Asi lächelte leicht. »Es sind die Killer, denen es Leid tun wird, Inspector. Sie sind zum falschen Haus gegangen, zu dem alten Haus, in dem wir wohnten, bevor ich wieder umzog, damit meine Kinder auf eine normale Schule gehen und Fußball spielen konnten. Habe ich Ihnen schon erzählt, dass wir ins Finale der Division gekommen sind?«
»Nein.«
»Sie werden sich das Spitzenspiel natürlich anschauen.«
»Als Assistenz-Trainer?«
»Der Job ist immer noch zu haben, Inspector.«
»Ich halte mir die Möglichkeiten offen.«
»Eine kluge Sache in unsicheren Zeiten.«
»Diese Männer, die Ihr Haus besuchten …«, kam Ben auf das Thema zurück.
»Sie waren als israelische Soldaten verkleidet. Es waren zu viele, sodass meine Leute es nicht riskieren konnten, gegen sie vorzugehen. Aber die frühe Warnung verschaffte mir Zeit, meine Familie ins Wohnmobil zu stecken und zu verschwinden, bevor sie meine derzeitige Adresse herausfanden.« Al-Asi schaute Ben stolz an. »Was halten Sie davon?«
»Dass Sie Glück gehabt haben«, sagte Ben.
Der Colonel bedachte ihn mit einem tadelnden Blick und stellte sein Glas Limonade auf dem Schoß ab. »Ich meinte den Winnebago.«
»Oh. Eigentlich habe ich nie so ein Wohnmobil in Palästina gesehen, Colonel.«
»Natürlich nicht. Unsere Straßen sind zu schmal, um damit herumzukurven.« Er klopfte stolz an eine der Wände. »Aber ich konnte nicht widerstehen. Perfekt für Ausflüge, Campingreisen …«
»Und eine Möglichkeit, bei Ihrer Familie zu sein, wenn Sie eilig mit ihr umziehen müssen.«
»Genau deshalb habe ich den Winnebago nach dem Scheitern des Friedensprozesses gekauft. Heute Abend kam er mir besonders gelegen, da wir es anscheinend mit einer entschlossenen Armee zu tun hatten. Und jetzt sagen Sie mir, dass das Tier Mahmoud Fasil eine Rolle dabei gespielt hat.«
»Eine kleine Rolle. Ein Bote, nicht mehr. Sein Job bestand darin, die Festplatte von Shahir Falayas Computer zu zerstören und die Diskette mit einem gewissen Teil des Inhalts an jemand anderen zu übergeben.«
»An den Fußballstar.«
»Ich möchte mir diese Diskette anschauen, die wir bei ihm gefunden haben, Colonel. Können wir die bekommen?«
»Selbstverständlich. Sie ist hier.«
»Hier im Winnebago?«
Al-Asi nickte. »Versteckt unter den Videospielen meiner Kinder. Zur sicheren Verwahrung.«
Noch lange, nachdem Ben den Inhalt der Diskette gelesen hatte, starrte er auf den Bildschirm. Er nahm gar nicht wahr, dass seine Finger vom Scrollen steif geworden waren und sein Atem flach ging.
»Die Diskette ist Kauderwelsch und hat keinerlei Zusammenhang mit dem Netzwerk der Terroristen, das wir zu identifizieren erhofften. Sie ist auf Englisch. Vielleicht können Sie sich das gelegentlich anschauen und mir sagen, was Sie davon halten.«
Ben erinnerte sich an diese oder ähnliche Worte, die al-Asi vor fast einer Woche zu ihm gesagt hatte, und er schalt sich einen Dummkopf, weil er das Angebot des Colonels nicht eher angenommen hatte. Vielleicht würde Danielle dann nicht in Gefahr sein. Vielleicht wäre sie nicht nach Deutschland gereist und wäre hier bei ihm.
Es ist alles hier auf der Diskette. Alles, was ich gesucht habe …
Die Diskette enthielt die Informationen, die von den Schülern vor ihrer Ermordung über die von ihnen dann erpressten Firmen gesammelt worden waren. Diese Informationen waren der Beweis für die Schüler gewesen, den sie in der Hinterhand gehabt hatten, wenn sich eines ihrer Erpressungsopfer geweigert hätte, ihre Forderungen zu erfüllen.
Die Informationen waren bei dem palästinensischen Schüler Shahir Falaya versteckt, denn er war derjenige gewesen, der sie bei Wartungsarbeiten aus den Computern gestohlen hatte.
Laut Kopien von E-Mails, die ebenfalls auf der Diskette gespeichert waren, hatten die vier Schüler eine Gesamtsumme von 1,3 Millionen Dollar erpresst! Sie hatten das Geld elektronisch auf Konten eingezahlt, die sie sofort wieder aufgelöst hatten, nachdem sie das Geld auf andere Konten transferiert hatten, die anderswo in der Datenbank aufgelistet waren. Eine einzige Geldabhebung von knapp hunderttausend US-Dollar war registriert – die Summe, die nötig gewesen war, um Jane Wexlers Schweigen zu erkaufen.
Ben konnte verstehen, dass jemand, der den Inhalt der Diskette sah, völlig verwirrt sein würde,
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