Die Hüter der Nacht
abwechselnd. »Jane Wexler«, fügte sie hinzu, ohne ihnen die Hand zu reichen. Sie war Mitte 40 und trug ihr flachsfarbenes Haar kurz geschnitten. Ihr olivfarbener Rock und die Bluse besaßen fast die gleiche Farbe wie die Uniformen der Soldaten draußen. »Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Können wir irgendwo ungestört sprechen?«
Jane Wexler setzte eine Brille mit runder Fassung auf. »Meine Sekretärin hat Urlaub. Jemand muss das Büro hüten.«
»Es geht um zwei Schüler«, sagte Ben. »Um einen israelischen und einen palästinensischen.«
»Michael Saltzman«, fügte Danielle hinzu, »und …«
»Shahir Falaya«, vollendete Ben.
»Sie sind nicht mehr meine Schüler«, erklärte Jane Wexler. »Sie haben ihr Semester hier beendet und sind vor zwei Wochen an ihre regulären Schulen zurückgekehrt.« Ihr Gesicht spiegelte plötzlich Sorge wider. »Warum? Ist ihnen irgendetwas passiert?«
Ben und Danielle tauschten einen Blick.
»Was ist mit ihnen? Sind sie in Schwierigkeiten?«
»Sie wurden letzte Woche ermordet«, sagte Danielle.
Aus Jane Wexlers Gesicht wich alle Farbe. »Ermordet? Bitte …«, sagte sie und wies zu einem kurzen Flur, »… gehen wir in mein Büro.«
»Ich kann es nicht glauben«, murmelte Jane, als Ben und Danielle ihr erzählt hatten, was geschehen war, wobei sie sorgfältig vermieden hatten, ihre Vermutungen preiszugeben. Jane Wexler setzte sich zurück, die Hände an die Lehnen geklammert; sie wirkte wie gelähmt in ihrem Schreibtischsessel. »Ein Selbstmord und ein Mord. Bei allem, was hier vorgeht, bei all den Vorurteilen, mit denen die Schüler dieser Schule zu kämpfen hatten …« Sie schüttelte den Kopf. »Es macht alles so sinnlos.«
»Hat die Schule ihnen Computer zur Verfügung gestellt?«, fragte Ben.
»Was? Nein. Michael besaß bereits einen. Shahir haben wir einen besorgt, wenn ich mich recht entsinne.«
»Und Sie haben ihm einen Job in Israel verschafft, eine schwierige Aufgabe nach Lage der Dinge.«
»Was es nur noch wichtiger macht«, erwiderte Jane Wexler scharf. »Wenn es irgendeine Hoffnung für die Zukunft gibt, Inspector, liegt sie darin, die Jugendlichen zusammenzubringen, die sich sonst Feuergefechte liefern würden. Und ein entscheidender Teil der Kooperation besteht darin, für junge Palästinenser Arbeit in Israel zu finden.«
»Welchen Job haben Sie für Shahir gefunden?«, fragte Danielle.
»Das kann ich wirklich nicht sagen. Wir haben einen Arbeitsvermittler, der sich um diese Dinge kümmert.«
Ben notierte es in seinem Notizblock. »Wir möchten vielleicht später mit ihm sprechen.«
»Michael Saltzmans Mutter erwähnte, dass Michael in den Tagen vor seinem Tod verängstigt gewesen war«, warf Danielle ein, bevor Jane Wexler etwas auf Bens Bitte erwidern konnte. »Sie sagte etwas über den Tod eines Mädchens, einer guten Freundin von ihm.«
Jane Wexlers Mund klaffte auf. »Mein Gott … Beth? Beth Jacober?«
»Ich glaube, das war der Name. Sie besuchte diese Schule ebenfalls, nicht wahr?«
»Ja. Beth war mit Michael und Shahir befreundet. Es gab Gerüchte, dass sie und Shahir mehr als Freunde waren, aber wir Lehrer sagten uns, dass es uns nichts angeht. Diese Schule soll Mauern einreißen, Barrieren, die unsere beiden Kulturen seit Jahrhunderten trennen. Seit einem halben Jahr versuchen die Behörden auf beiden Seiten, die Schule zu schließen. Wissen Sie, wie wir das verhindern konnten?« Sie fuhr fort, ohne Danielle zu Wort kommen zu lassen. »Durch Erfolg! Unsere Schüler streben den Frieden an wie niemand sonst. Sie werden jeden Tag herkommen, ganz gleich, was geschieht, und wenn wir den Unterricht in den Hügeln abhalten müssten. Können Sie das verstehen?«
»Sprechen Sie nur weiter«, sagte Danielle und tauschte einen Blick mit Ben.
Jane Wexler lächelte traurig, und ihre Augen wurden feucht. »Ich nehme an, Sie können die Beziehung der beiden als Beweis unseres Erfolgs betrachten. Dies alles ist schrecklich. Wie kam Beth ums Leben?«
»Bei einem Autounfall, glaube ich.«
Plötzlich wurde der Blick der Direktorin misstrauisch, und sie tupfte sich mit dem Ärmel über die Augen. »Ein Unfall, ein Selbstmord und ein Überfall, um ein Auto zu rauben. Was genau ermitteln Sie beide?«
»Wir sind nicht überzeugt von den Umständen der Todesfälle«, sagte Danielle und beließ es dabei. »Es wäre hilfreich, wenn Sie uns mehr über die Opfer erzählen könnten.«
Jane Wexler nickte langsam und traurig. »Nach einem Monat ihrer
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