Die Hüter der Nacht
Zeit hier waren die drei unzertrennlich. Michael und Beth besuchten eine Zeit lang dieselbe Schule in Israel. Er war es, der sie Shahir vorstellte, nachdem die drei Jungen Freunde geworden waren.«
»Drei?«, fragte Ben.
»Ja, es gab noch einen vierten in ihrer Gruppe. Die besten Schüler in ihrer Klasse. Vier der besten Schüler, die ich jemals gekannt habe. Wie war noch sein Name …« Jane Wexler trommelte mit den Fingerspitzen auf der Schreibtischplatte, während sie angestrengt nachdachte. »Jakov. Yakov Katavi. Von den Golanhöhen, glaube ich.«
»Könnten Sie uns eine Adresse nennen?«
»Die muss ich in meinen Akten haben.«
»Nur diese vier?«, fragte Danielle.
»Eine Zeit lang war ein palästinensisches Mädchen dabei, aber irgendetwas muss passiert sein, denn das Mädchen brach plötzlich den Kontakt zu der Gruppe ab. So etwas geschieht oft. Sie wissen ja, wie Jugendliche sind.«
»Natürlich«, sagte Ben.
»Es hat mir Leid getan, als sie der Reihe nach von der Schule abgingen. So intelligente, lebenssprühende Kinder. Absolute Könner mit ihren Computern. Sie wussten mehr als unser Techniklehrer. Ich wollte ihnen Jobs anbieten.« Jane Wexler lächelte, wurde jedoch schnell ernst. »Ich habe sie verpasst, als sie gingen. Man hat die Schüler nicht lange genug, um sie wirklich kennen zu lernen, wie es in einer normalen Schule der Fall ist. Aber sie waren die besten Schüler, die wir in dem zweijährigen Bestehen dieser Schule hatten. Ich musste sie oftmals persönlich aus dem Computerraum vertreiben, bevor ich heimfuhr.«
»Können Sie uns Yakov Katavis Adresse besorgen?«, fragte Danielle.
»Und den Namen und die Adresse des palästinensischen Mädchens, das den Kontakt zu der Gruppe abbrach?«, fügte Ben hinzu.
»Wird sofort erledigt«, sagte Jane Wexler.
Als sie auf dem Rückweg zu Danielles Wagen waren, erhielt sie über ihr Handy einen Anruf von einer Armeeabteilung, die auf Danielles Anweisung Yakov Katavis Wohlergehen hatte überprüfen sollen. »Der Junge lebt, und es geht ihm gut. Er ist zurzeit in der Schule«, berichtete sie Ben und steckte ihr Handy zurück in die Handtasche. »Zwei Soldaten werden ihn den Rest des Tages beobachten.«
»Wir müssen mit ihm sprechen«, sagte Ben.
Danielle blickte nervös auf ihre Armbanduhr. »Ich kann jetzt nicht. Baruch wird mir den Kopf abreißen, wenn ich nicht wieder an die Arbeit gehe, die ich machen soll.«
»Wieder ein Fall von toten Kindern, Pakad?«, fragte Ben neugierig.
»Nein«, erwiderte sie, ohne von der Ermittlung im Mordfall Paul Hessler zu erzählen.
»Vielleicht sollte ich allein mit dem Jungen reden.«
Danielle runzelte skeptisch die Stirn. »Er wohnt auf den Golanhöhen.«
»Wo mein Ausweis keinen Zugang erlaubt …«
»Warte bis zum Nachmittag, und wir fahren zusammen hin. Wenn du dich dadurch besser fühlst, kann ich Kontakt zur Armee aufnehmen und jemanden bei seinem Elternhaus postieren lassen.«
»Dann würde ich mich tatsächlich besser fühlen.«
»Betrachte es als erledigt«, sagte Danielle. »Was ist mit dem palästinensischen Mädchen, von dem die Direktorin gesprochen hat?«
»Aus Ramallah«, erinnerte sich Ben. »Dort habe ich Zutritt.«
18.
»Lassen Sie die Leute jedes Mal warten, Pakad?«, fragte der Leichenbeschauer, als Danielle endlich eintraf. Er trug eine weiße Laborjacke, die mit irgendetwas überzogen war, das wie eine bodenlange Plastikplane mit Schlitzen für seine Arme aussah. Er hatte noch die Schutzbrille an, jedoch nicht seinen Atemschutz. Die Schutzbrille konnte seinen zornigen Blick nicht verbergen.
»Es tut mir Leid«, sagte Danielle und betrachtete sein Namensschild, während sie zu ihm ging. »Dr. Ratovsky.«
»Schon gut. Das hier sollte ohnehin nicht lange dauern.«
Die pathologische Abteilung der Nationalpolizei befand sich im zweiten Zwischengeschoss im Jerusalemer Präsidium. Die Autopsie des Täters, der Ari Hessler erschossen hatte, vermutlich jedoch dessen Vater Paul töten wollte, war mit erstaunlicher Schnelligkeit vorgenommen worden, besonders weil die Hauptaufgabe der Abteilung darin bestand, Daten von anderweitig durchgeführten Autopsien auszuwerten und zu analysieren – manchmal um eine zweite Meinung abzugeben, oftmals jedoch als ersten Befund.
Jeder Stadtbezirk in Israel hat seine eigene Polizeibehörde, die direkt zuständig für die Ermittlung von Verbrechen ist, die in ihrem Zuständigkeitsbereich begangen werden. Die Nationalpolizei kontrolliert die Grenzen
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