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Die Hueter Der Rose

Die Hueter Der Rose

Titel: Die Hueter Der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gable
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hielt sich wenigstens einer der vielen Priester und Mönche seines Haushalts ständig hier auf. So auch jetzt. Ein Benediktiner und ein junger Priester standen seitlich des Altars über ein aufgeschlagenes Buch auf einem Lesepult gebeugt und stritten ebenso hitzig wie gedämpft über die Frage, wie es möglich war, dass Tausende und Abertausende Menschen Tag für Tag den Leib Christi aßen, ohne dass dieser Leib je zur Gänze vertilgt wurde. Die Ketzerlehren der Lollarden, erkannte John, hatten ihren Weg ins Herz der Kirche gefunden. Das verwunderte ihn nicht. War ein Gedanke einmal gedacht, ließ er sich nicht so einfach wieder aus der Welt schaffen. Daran konnte nicht einmal der neue mächtige Papst Martin etwas ändern, der mit englischer Unterstützung auf den Stuhl Petri gehievt worden war und dem unseligen Schisma ein Ende bereitet hatte.
    Die beiden Geistlichen schauten auf, als sie die Tür hörten, und nickten John zu. Er erwiderte den stummen Gruß, kniete sich auf der anderen Seite des Altars auf eine kleine, gepolsterte Gebetsbank und fragte sich, was wohl geworden wäre, wenn Bischof Beaufort und nicht der Römer Colonna Papst geworden wäre, wonach es eine Weile ausgesehen hatte. Und er dachte darüber nach, wie eigenartig es sich anfühlte, wieder in England zu sein.
    Als er zum zweiten Mal eingenickt war und um ein Haar von der Bank gekippt wäre, musste er einsehen, dass er zu müde zum Beten war, und verließ die Kapelle, ehe er das Missfallen oder auch die Heiterkeit der beiden gelehrten Disputanten auf sich ziehen konnte. Er ging zurück in den Burghof, denn erhoffte, die kalte Schneeluft werde seine Schläfrigkeit vertreiben.
    Der kurze Winternachmittag war fortgeschritten. John schaute zum grauen Himmel auf, um festzustellen, ob es bald wieder anfangen würde zu schneien, und so erhaschte er einen Blick auf eine grau gewandete Gestalt in den Ästen der einsamen Eiche, die hier wuchs. Es war schon zu dämmrig, um die Gestalt richtig zu erkennen, aber er erahnte eine schlanke, knabenhafte Form. Ein Novize, nahm er an, der irgendeinen Unfug ausheckte, gefährlich auf einem Ast in luftiger Höhe balancierte und sich aus unerfindlichen Gründen nach oben zu recken schien.
    John war als Junge auf genügend Bäume geklettert, um auf einen Blick zu sehen, dass das niemals gut gehen konnte. Mit zwei Schritten hatte er den Baum erreicht, und ehe er den leichtsinnigen Knaben warnen konnte, geriet der erst ins Rutschen, dann ins Trudeln, stieß einen leisen Fluch aus und landete unter vernehmlichem Zweigeknacken in Johns Armen.
    »Sachte, Bübchen. Was treibst du denn nur da oben?«
    »Ich wollte diese unbelehrbare Kreatur vor ihrer eigenen Dummheit erretten«, bekam er zur Antwort. »Seid so gut und lasst mich los, Sir, und untersteht Euch, mich ›Bübchen‹ zu nennen.«
    Erschrocken stellte John den »Novizen« auf die Füße. Der befreite sich mit einem graziösen Kopfschütteln von der Kapuze seines schlichten, grauen Wollmantels und enthüllte ein zierliches Mädchengesicht, das ein paar blasse Sommersprossen über der Nasenwurzel aufwies und dessen Wangen von der Winterkälte gerötet waren. Weiche, weizenblonde Locken rahmten es ein, waren aber im Nacken zusammengebunden, vermutlich, damit sie beim Klettern nicht hinderlich waren. Große, braune Augen sahen John direkt an. Einen Moment zu lange für eine Dame, die sich allein mit einem jungen Ritter und obendrein noch in einer so unmöglichen Situation fand.
    »Nun steht nicht da und glotzt. Haltet es lieber einen Moment.«
    Erst als sie ihm die Hände entgegenstreckte, sah John, dass sie ein Kätzchen hielt, ein flauschiges, schwarzes Fellknäuel.
    Er nahm es ihr ab. Der winzige Körper lag zitternd in seiner schwieligen Linken. John steckte die Hand unter den warmen Mantel. »Und dafür setzt Ihr Euer Leben aufs Spiel?«, fragte er ungläubig.
    »Unsinn«, gab sie brüsk zurück. »Ich bin nur auf einen Baum geklettert.«
    »Ja. Und heruntergepurzelt.« Er verneigte sich knapp. »John of Waringham, Madam. Zu Euren Diensten.«
    Sie lächelte plötzlich. »Das wart Ihr schon, nicht wahr? Obwohl ich im Schnee vermutlich weicher gelandet wäre als auf Eurem Brustpanzer.« Es war ein hinreißendes Lächeln, das zwei Reihen kleiner, weißer Zähne enthüllte und ein Grübchen in ihren linken Mundwinkel zauberte.
    John blieb gar nichts anderes übrig, als es zu erwidern. Und er fragte sich, warum sie sich nicht vorstellte. Er hätte gerne gewusst, wer

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