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Die Hüter der Schatten

Die Hüter der Schatten

Titel: Die Hüter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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solchen Unsinn hat, nehme ich sie nicht hart genug heran«, versetzte er.
    »Simon, das Mädchen hat seit dem Frühjahr jeden Tag fünf bis acht Stunden am Flügel oder am Cembalo gesessen! Heute ist der erste freie Tag, den sie sich seit langem gönnt!« tadelte Leslie ihn. »Emily hat uns ein paar gefüllte Eier dagelassen. Sie war die halbe Nacht auf den Beinen, um biodynamische Brownies mit Johannisbrotmehl und Honig zu backen und mit Distelöl hausgemachte Mayonnaise zu rühren.«
    »Ich kenne ein paar von den jungen Leuten aus der pan-heidnischen Gemeinde«, meinte Simon mißfällig. »Dort herrschen ziemlich lockere Sitten, und es gefällt mir gar nicht, daß Emily sich mit ihnen herumtreibt.« Er warf Leslie einen ernsten Blick zu. »Meine Liebste, glaubst du, daß ich eifersüchtig bin?«
    »Nun ja, so etwas ähnliches hatte ich gerade gedacht«, entgegnete Leslie.
    »Emily ist eine reizende, begabte junge Frau, und mit der richtigen Ausbildung könnte sie die gleichen hellseherischen Fähigkeiten entwickeln wie du. Aber mein Interesse an ihr ist nicht im entferntesten erotischer Natur«, fügte er hinzu. »In meinem Leben gibt es nur eine einzige Frau, und du weißt, wer sie ist.« Er lächelte ihr zu und bedachte sie mit einem Blick, der intimer war als jede Berührung. »Emily ist wie alle Frauen eine Inkarnation der Göttin, aber ich glaube, sie hat noch nicht herausgefunden, wer sie ist. Ich sehe sie als die keusche Kriegerin: Artemis, die Jägerin Diana, Athene oder die Walküre. Um nichts in der Welt würde ich diese Macht der Unschuld anrühren. Im Moment steckt sie wie eine ergebene jungfräuliche Priesterin all ihre Kraft in den Dienst an ihrem Gott, der Musik. Obwohl Emily mir sehr kostbar ist, würde ich ebenso wenig in sexuellen Begriffen von ihr denken wie von meiner eigenen Tochter – wäre es mir vergönnt, eine Tochter zu haben.
    Sollen wir mit der Reinigung des Hauses beginnen, Leslie? Zunächst werden wir ein reinigendes Wasser herstellen, indem wir die Kräuter in destilliertem Wasser einweichen. Ich war so vorausschauend, beim Lebensmittelhändler eine Flasche zu besorgen. Du willst gewiß kein Chlor und all die anderen Chemikalien, die die Stadtwerke hineinschütten, in dem Wasser haben, das du zur Säuberung deines Hauses benutzt …«
    Er hat von einer Göttin gesprochen. Meint er das wörtlich, oder stellt der Ausdruck auch eine poetische Metapher dar wie die vier Elemente?
    Zur Vorbereitung fegten sie gemeinsam jeden Raum im Haus mit Büscheln von Wacholderzweigen aus, während Simon Leslie ein paar einfache Bannformeln lehrte. Sie waren fast damit fertig, und Simon hatte begonnen, die Kräuterlösung vorzubereiten, als er von einem seiner verheerenden Schmerzanfälle heimgesucht wurde. An die Wand gelehnt stand er da, die gesunde Hand vor Qualen zusammengekrampft. Als alles vorüber war, stand ihm der Schweiß auf der Stirn.
    Doch er sagte nur: »Zum Glück ist das jetzt passiert, bevor wir richtig begonnen haben. Auf diese Arbeit muß man sich voll und ganz konzentrieren, und das wäre mir unter diesen Umständen … schwergefallen.«
    »Möchtest du vorher ein wenig ausruhen, Liebster?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nicht nötig. Aber ich wünschte, die Leute, die anderen so gern raten, Gottes Willen zu akzeptieren, müßten einmal einen solchen Anfall durchstehen. Dann wären sie vielleicht vorsichtiger damit, mich zu verurteilen, weil ich …« Er zögerte. »Weil ich bereit bin, alles zu versuchen, um wieder gesund zu werden! « Er klang so verbittert, daß Leslie zusammenzuckte. Aber noch ehe sie seine Worte ganz verdaut hatte, fuhr Simon fort: »Von nun an muß alles mit Achtsamkeit und Konzentration geschehen. Füll den Kelch mit dem Wasser, in dem wir die Kräuter eingeweicht haben. Während wir ihn dann durchs Haus tragen und die Flüssigkeit verspritzen, solltest du ein klares Bild in deinen Gedanken aufrichten, daß wir diesen Ort von allen Einflüssen reinigen, die wir nicht in unserer Umgebung wünschen. Es kommt nicht darauf an, wie du dir diese negativen oder unerwünschten Einflüsse vorstellst, ob als Dämon oder Rockmusiker. Wir wollen sie einfach nicht hierhaben.«
    Er nahm den Kelch und reichte ihn Leslie.
    »Dies ist dein Haus; es muß deine Kraft sein, die es reinigt und alles Unwillkommene austreibt.«
    »Du hast einmal gesagt, Claire habe versucht, das Haus gegen dich abzuschotten. War das dein Ernst, Simon? Könnte man das Haus gegen eine … eine

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