Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hüter der Schatten

Die Hüter der Schatten

Titel: Die Hüter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
Vom Netzwerk:
Leslies Hände und hielt sie über den Altar. Sie war sich nicht sicher, ob es wirklich oder eingebildet war, doch sie spürte eine Kraft, die von unten gegen ihre Hände wallte wie ein starkes Magnetfeld.
    Während Simon ihr zeigte, wie man die Gefäße reinigte und die Kerze ersetzte, nachdem man den Halter gesäubert hatte, und wie man Salz und Wasser mit den Energien des eigenen Körpers auflud, mußte Leslie an eine japanische Teezeremonie denken. Diese Handlungen waren wie eine Meditation, eine Konzentrationsübung, durch die man seinen Geist den sichtbaren und unsichtbaren Kräften widmete, welche die ganze Welt erfüllen. Und das sollte Schwarze Magie sein? Colin und Claire waren gewiß zu intelligent, um so etwas zu glauben!
    »Und jetzt«, erklärte Simon, nachdem sie die Arbeit am Altar beendet hatten, »wollen wir es für die erste Unterrichtsstunde genug sein lassen. Zu der Zeit, als ich mich als Renaissance-Universalgenie betrachtet habe, habe ich unter anderem versucht, mein Talent als Gourmet-Koch zu kultivieren. Wie wäre es mit Erdbeer-Crepes zum Frühstück?« Er schmiegte sich an sie. »Oder sollen wir noch einmal ins Bett gehen und die Crepes später backen?«
    Inzwischen hegte Leslie keinerlei Vorbehalte mehr dagegen, Simons Kimono zu tragen – oder abzulegen.
    »So oder so«, entgegnete sie, »können wir nur gewinnen.«
     
    Im Laufe der nächsten Wochen dachte Leslie manchmal über Simons religiöse Vorstellungen nach. Glaubte er überhaupt an irgend etwas? Möglich, daß er genau wie Claire bloß den Jargon verabscheute; jedenfalls sprach er nicht darüber. Einmal allerdings hatte Leslie sich eine Laufmasche in die Strumpfhose gerissen und ohne weiter nachzudenken geschimpft: »Gottverdammtes Ding!« Beiläufig hatte Simon sie daraufhin ermahnt: »Meine Liebe, es scheint mir absurd, einen harmlosen Gegenstand zu einer ewigen theologischen Strafe zu verurteilen, wenn man im Grunde nur sagen will: wie ärgerlich.« Und bei einer anderen Gelegenheit, als Emily ein impulsives »O Jesus!« entfahren war, hatte Simon sie ebenfalls gerügt. »Nimm niemals leichtfertig den Namen Gottes oder des Teufels in den Mund. Man weiß nie, wer oder was zur Antwort auf eine solch achtlose Anrufung auf einen zukommt.«
    Von ihren Klavierstunden bei Simon kam Emily entweder himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt nach Hause. Doch sie arbeitete hart und ohne Unterlaß und schien guten Mutes zu sein. Manchmal fanden die Stunden auch im Musikzimmer des alten Hauses statt und nicht im Konservatorium. Dann hörte Leslie ihre Schwester manchmal weinen, oder Simon brüllte Emily an. Doch anschließend blieb er häufig zum Essen, und Emily lachte und scherzte mit ihm und half ihrem Lehrer, köstliche vegetarische Gerichte zu kochen.
    Ende Juni rief Simon an und fragte, ob er wie versprochen vorbeikommen könne, um das Haus mit ihr zu reinigen und einem Schutzritual zu unterziehen. Leslie hatte es beinahe schon vergessen. Im Haus war es in letzter Zeit ruhig, und sie hatte sich sogar längere Zeit in der ehemaligen Garage aufgehalten, um Vorhänge aufzuhängen und Kissen zu nähen, ohne daß übersinnliche Mächte ihr Probleme bereitet hatten. Tatsächlich fragte Leslie sich inzwischen, ob die ganze Sache möglicherweise auf nichts als Nervosität, Überarbeitung und überschäumende Phantasie zurückzuführen war.
    »Heute ist der Tag der Sommersonnenwende. Seit der Mensch über die Zeit nachdenkt und sie mißt, hat dieser längste Tag des Jahres bei allen Völkern der Erde große Bedeutung besessen. Bei der Reinigung eines Hauses kommt es darauf an, die Magnetfelder und Kräfte der Erde ins Gleichgewicht zu bringen«, erklärte Simon ihr. »Deshalb ist heute ein geeigneter Zeitpunkt.« Simon hatte in seinem Wagen Zweige verschiedener Gewächse mitgebracht. »Wacholder und Haselnuß, beides Schutzpflanzen«, erklärte er und bestand darauf, weitere Pflanzen aus dem Kräutergarten zu sammeln. »Wo ist denn Emily? Ich höre weder Klavier noch Harfe.«
    »Sie ist mit ein paar Freunden zu einem Picknick gefahren«, sagte Leslie. Im Morgengrauen waren sie mit Frodos Lieferwagen aufgebrochen; Emily hatte neben ihm gesessen, Timmie auf dem Schoß, und auf der Ladefläche hatten wie buntgefiederte Hühner auf der Stange Rainbow und noch ein halbes Dutzend andere Freunde gehockt. »Sie sind zum pan-heidnischen Sonnenwend-Picknick. Es findet irgendwo an der East Bay statt.«
    Simon schüttelte den Kopf. »Wenn Emily Zeit für

Weitere Kostenlose Bücher