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Die Hüter der Schatten

Die Hüter der Schatten

Titel: Die Hüter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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menschlichen Gier nicht überdauern, wenn die Leute beten würden, zum Beispiel für den Frieden. Die Menschen behaupten, daß sie Frieden wollen, aber in Wirklichkeit wünschen sie sich bloß Ungestörtheit und die Möglichkeit, all ihre lächerlichen kleinen Wünsche zu erfüllen. Gier, Profitsucht. Wenn du deinen Geist zu öffnen wüßtest, könntest du jedes Verbrechen sehen, das letzte Nacht in dieser Stadt begangen wurde – du erschauerst zu Recht, denn das ist Sache der Polizei. Die Polizisten sollten lernen, sich geistig auf die Menschen einzustimmen, die das Gesetz brechen. Aber davor haben sie Angst. Sie wollen ihre Überlegenheit über die Verbrecher wahren und Macht über sie ausüben. Verstehst du, was ich dir erklären will? Das alles steht der Macht des ausgebildeten Willens zu Gebote. Einer der großen Adepten – ängstliche Kleingeister, die ihn nicht verstanden, haben ihn einen Schwarzen Magier genannt – hat gesagt: Das Gesetz ist Liebe, dem Willen unterworfen. Du besitzt einen ausgebildeten Verstand, Leslie, und eine große Naturbegabung, aber du mußt lernen, dich deiner Gaben zu bedienen, sonst werden sie statt dessen dich benutzen.«
    »Und was genau soll ich lernen?«
    »Überlaß das mir. Für den Anfang werde ich dich lehren, den Altar zu pflegen und instand zu halten. Auf der geistigen Entwicklungsstufe, auf der wir uns befinden, sollte jedermann eine Art Schrein besitzen; etwas, das einen daran erinnert, was das Wichtigste im Leben ist. Die Form ist dabei eigentlich gleich. Es braucht nicht einmal ein Altar zu sein.« Lächelnd rollte Simon sich zu ihr herüber. »Ich bin mir sicher, Emilys Schrein ist ihr Musikzimmer, und ihre Gebete sind die vielen Stunden des Übens, die disziplinierte harte Arbeit und die leidenschaftliche Hingabe ihrer Hände und ihres Geistes.«
    Leslie sah deutlich vor Augen, was Simon sagte.
    »Komm«, forderte er sie auf und zog sie aus dem Bett und vor den Altar. »Keine Götzenbilder und Idole, keine Spur von Teufeln oder Dämonen. Das alles halte ich für peinlich vulgär. Satanisten und ähnliche Idioten sind für gewöhnlich nutzlose Rebellen, die in ihrer Kindheit eine schmerzhafte Überdosis katholischer Bigotterie erhalten haben und nun in die entgegengesetzte Richtung über die Stränge schlagen. Obwohl … wenn Gott so ist, wie die Kirche glaubt, kann ich den mittelalterlichen Rebellen und Kirchengegnern nicht verdenken, daß sie Satan im Unterschied dazu als freundlichen Burschen dargestellt haben! Eines mußt du mir glauben, Leslie: Mit Teufelsanbetung habe ich nichts zu tun. Selbst wenn die Satanisten ihren Teufel bis in alle Ewigkeit anrufen, erzielen sie keine größere Auswirkung auf die materielle Welt, als würden sie die Gedichte von Edgar Guest, Khalil Gibran oder sonst einem populären Vulgärdichter verlesen. Dennoch würde allein die Vorstellung, zu einer Art Anti-Gott zu beten, genau das Böse schaffen, das sie beschworen haben. Die Satanisten schaffen ihre eigenen Teufel, so wie fromme Gläubige ihren eigenen Gott schaffen – und mit beidem will ich nichts zu tun haben. Die meisten organisierten Religionsgemeinschaften rufen Gedankenformen eines Gottes an, der ebenso bigott ist wie der Teufel anderer Menschen.«
    Wenn das so ist, warum in aller Welt nennen die Leute dich dann einen Schwarzen Magier, fragte sich Leslie, brachte aber noch nicht den Mut auf, diese Frage zu stellen.
    »Was bewahrst du denn nun auf deinem Altar auf?«
    »In erster Linie die vier Elemente. Ja, ich weiß. Als ich zur Schule ging, gab es neunundsechzig Elemente, und die gelehrte Wissenschaft behauptete, mehr könne es nicht geben. Ich bin vor der Entdeckung der Kernspaltung aufgewachsen, ehe die Menschheit die Geheimnisse des Atoms erforscht hat. Heutzutage existieren … wie viele Elemente? Hundertundzwanzig, glaube ich, und immer noch werden neue entdeckt. Die vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde – oder, wenn es dir lieber ist, Flamme, Regen, Wind und Mutterboden – sind lediglich Metaphern für die Millionen Dinge, die im Universum existieren. Hier, in der Kerze, haben wir das Feuer. Salz und Bergkristall stehen für die Erde und der Weihrauch für die Luft. Das Wasser befindet sich in diesem Kelch. Der Altar muß makellos rein gehalten werden, und jedesmal, wenn du dich ihm näherst, mußt du deinen Willen darauf konzentrieren, sämtliche bekannten und unbekannten Elemente des Universums zu umfassen«, begann Simon seine Unterweisung. Er nahm

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