Die Hüter der Schatten
haben, dem Satyr. Ob beim letztenmal Alisons Einfluß oder etwas anderes der Grund dafür war – ich werde mich nicht noch einmal meiner Potenz berauben lassen. Und ich werde es dir beweisen.« Er machte sich daran, Leslie auszuziehen. Und ob die Wirkung des Rituals nun wirklich war oder nicht – das Ergebnis fiel äußerst befriedigend aus.
Später lag Leslie entspannt in Simons Armen, wobei sie müßig die Uhr im Auge behielt, denn um fünf erwartete sie einen Patienten. Sie war verblüfft, als Simon sie mit einem Mal heftig umarmte. »Laß uns fortgehen, Leslie«, bat er.
»Meinst du für heute? Oder übers Wochenende?«
»Laß uns heiraten und einfach verschwinden. Nach Hawaii. Europa. Rom. Ägypten. Wir rufen beim Reisebüro an und fliegen los. Stell dir vor – wir könnten am Samstag in Paris frühstücken, oder übermorgen in Honolulu!«
Leslie stockte der Atem ob seines verblüffenden Vorschlags. »Heiraten? Und dann abreisen? Simon, du machst Witze. Ich kann doch Emily nicht allein lassen.«
»Wenn Emily sich allein im Haus fürchtet, kann sie hier in meiner Wohnung bleiben, solange wir fort sind. Der Sicherheitsdienst ist ausgezeichnet, und sie hat Freunde, die ein Auge auf sie halten können.«
»Meine Patienten …«
»Ich hätte mir denken können, daß du dich gezwungen siehst, praktische Probleme anzuführen«, meinte Simon bedauernd. »Könntest du nicht einen anderen Arzt oder Psychologen suchen, der deine Praxis übernimmt? Wenigstens für die Dauer unserer Flitterwochen. Kannst du dir nicht vorstellen, daß ich dich vielleicht mehr brauche als deine Patienten? Ich kenne einen Mann im Paßamt, der die Ausstellung unserer Reisepapiere beschleunigen kann.«
»Simon … das wäre wunderbar. Aber ich kann doch nicht von einem Moment auf den anderen alles aufgeben. Immer sage ich den Leuten, wie wichtig es sei, aus rationalen Motiven zu handeln und nicht aus einer augenblicklichen Laune heraus irrationale Handlungen zu unternehmen. Ich gebe dir keinen Korb. Ich …« Leslie hielt inne und holte vor dem bedeutungsschweren Satz noch einmal Luft. »Ich möchte deine Frau werden. Aber muß es sofort sein? Wirst du mich nicht mehr lieben, wenn ich mir ein wenig Bedenkzeit ausbitte?«
Simon schloß sie in die Arme. »Ich werde dich für den Rest meines Lebens lieben und, wenn Gott will, noch lange darüber hinaus«, erklärte er feierlich und zog sie zu einem langen Kuß an sich. »Aber es könnte ungeheuer wichtig für uns sein, Leslie. Einfach vor allem fliehen …«
»Laß uns die Sache planen«, erwiderte sie zärtlich. »Wir sollten uns Zeit nehmen, über alles nachzudenken und das Richtige zu tun. Auch …« Sie schluckte und konnte kaum glauben, wie sehr sich ihre Meinung über die Ehe geändert hatte. »Auch über unsere Heirat. Nicht über Nacht. Aber bald. Sobald wir es einrichten können.«
Seufzend ließ Simon sie los.
»Wie du möchtest. Aber ich fürchte, selbst wenn wir in kürze mit dem Pläneschmieden beginnen, könnte es zu spät sein.«
»Was meinst du damit? Hast du …« Die Kehle wurde ihr eng. »Hast du eine Art Vorahnung?«
Er küßte sie noch einmal.
»Nein, Liebling. Ich empfand nur plötzlich den überwältigenden Wunsch, allem zu entfliehen. Ja, das ist irrational … Ich weiß, daß ich unvernünftig bin. Also werden wir langsam, vernünftig und logisch vorgehen. Bestimmt hast du recht, Leslie.«
Erst später, nachdem die Tragödie über sie hereingebrochen war, wurde Leslie klar, warum Simon sie angefleht hatte, mit ihm fortzugehen.
Es war ein Hilfeschrei gewesen, und sie, als ausgebildete Psychologin, hatte ihn nicht erkannt.
22
»Wissen Sie, Dr. Barnes, ich glaube wirklich, daß Pete es allmählich leid ist, mich zu belästigen«, erklärte Evelyn Sadler. »In den letzten zwei Wochen habe ich kaum noch etwas gehört außer ein paar Klopfgeräuschen. Und dann sage ich bloß: ›Ach, komm schon, Pete, laß mich in Ruhe‹, und die Geräusche hören auf. Natürlich bin ich nicht allzu oft zu Hause, als daß ich ihn hören könnte«, fügte sie hinzu. »Der Malkurs ist wundervoll. Wer hätte gedacht, daß ich in meinem Alter noch mit der Malerei anfangen würde? Meine Lehrerin hat vorgeschlagen, ich solle als Kunsttherapeutin tätig werden – zurückgebliebenen Kindern und kranken Menschen in Heilanstalten helfen, Bilder zu malen. Ich glaube, das würde mir gefallen. Sie sagt, es gibt eine entsprechende Berufsausbildung mit Abschluß.«
Leslie konnte
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