Die Hüter der Unterwelt - Die Seele der Schlange (German Edition)
um ihm Kraft zu geben …“, murmelte er die rituellen Worte und zerfetzte im selben Atemzug den linken Ärmel ihrer Bluse.
Die blasse Haut schimmerte hell wie reinstes Perlmutt.
„Jetzt darfst du sogar deinen Dolch benutzten“, höhnte er leise, als sie die Klinge bereits an ihren Unterarm legte. „Sprich mir nach.“
„Mein Blut für das Seine, um ihm Kraft zu geben“, wisperte sie rau und zog den Dolch ohne jedes Zögern bis zum Handgelenk hinab.
Rosenblättern gleich, perlten die scharlachroten Tropfen aus der Wunde. Viper fing ihr Blut in der hohlen Hand und lächelte zufrieden.
„Vielen Dank, kleine Sünde. Ich sollte dir vielleicht sogleich im Namen deines Vaters danken, denn dieses bockige Geschöpf wird es nicht tun.“
Obwohl er nicht wusste, weshalb, strich er mit den Fingern seiner Rechten über die blutende Schnittwunde und begann in zischenden Lauten zu flüstern. Augenblicklich schlossen sich die Ränder zu einer blassroten Narbe, verschwanden schließlich vollends.
„Woher weiß ich, dass ich Euch trauen kann?“, fragte seine feurige Sirene kaum hörbar.
„Das kannst du nicht, Liebes. Doch in dieser einen Nacht darfst du auf mein Wort vertrauen und danach bestenfalls nie mehr. Dein Vater wird leben, durch dein Opfer.“
Das raubtierhafte Grinsen schlich sich erneut auf Vipers Züge, während seine Konturen allmählich mit den Schatten verschwammen.
„Wir sehen uns wieder. Schon bald … Du gehörst mir, kleine Sünde.“
Als sie sich fragend in Richtung seiner Stimme wandte, schallte allein sein leises Gelächter in der Finsternis nach und der Geruch von kalter Asche beherrschte ihre Sinne.
Schatten
Wie betäubt starrte sie in die Dunkelheit, versuchte zu begreifen, dass weder der Fluch ihres Vaters, noch der Fremde, die Viper, ein Alptraum sein konnten.
"Hüter des Ersten Kreises …" Für einen wilden Herzschlag schloss sie die Augen.
Sie war nie besonders gläubig gewesen, hatte ihr Schicksal stets frei und unabhängig bestimmen wollen. Der Landespfarrer schlug noch immer seine Kreuzzeichen, wenn sie mit offenem Haar singend durch das Dorf galoppierte, den Jagdbogen über der Schulter. Catharina hasste Pflichten und weibliche Demut und zugleich liebte und lebte sie, in der Stärke eines Feuersturmes.
Sollte es wirklich einen Gott geben, würde er sie wohl nicht beten hören, sondern sehen wie sie mit dem Leben tanzte.
Aber vielleicht sollte sie damit beginnen, an den Teufel zu glauben, nachdem sie die Bekanntschaft der Viper gemacht hatte. Unbewusst strich sie über die hauchfeine Linie an ihrem Handgelenk. Und ihr Vater …
Augenblicklich wieder hellwach fuhr sie sich fahrig durchs Haar und wandte sich Nox zu. Der schwarze Hengst erwiderte ihre Aufmerksamkeit mit einem zärtlichen Schnauben und stieß ihr sacht den Kopf vor die Brust.
Wenig später umschlangen Catharinas Hände das Sattelhorn, während sie sich auf seinen Rücken schwang.
Als sie jedoch die Zügel ergriff und ihm noch einmal zart unter die Mähne strich, hielt sie überrascht inne. Kalter Angstschweiß verklebte Nox´ geschmeidiges Fell.
Wie konnte die bloße Anwesenheit eines Menschen, ihren geliebten, tapferen Hengst nur in so instinktive Panik versetze.
“Mensch!“, lachte eine Stimme in ihrem Innern höhnisch. "Glaubst du das?"
Warm und sanft legte sie eine Hand auf seiner Schulter, flüsterte ihm beruhigende Melodien zu und trieb ihn zurück in den nachtschwarzen Wald.
Nur das Mondlicht fiel silberhell durch das dichte Blätterdach und ließ das Unterholz dem rätselhaften Feenreich aus ihren Liedern gleichen.
Doch plötzlich durchschnitt eine vertraute Stimme die zauberhaften Klänge, in die selbst der Wind einstimmen wollte.
„Wo bist du, von Gott verfluchte Schlange!“ Abrupt zügelte sie ihren Hengst und versuchte nicht einmal, das strahlende Lächeln ihrer Erleichterung zu verbergen. Schon führte sie Nox ihres Vaters Drohung entgegen, die selbst die trällernden Grillen entsetzt verstummen ließ.
„Hat dein Meister dich geschickt? Wozu, verdammt? Herrgott noch mal Viper, wenn du meine Tochter angerührt hast, schneid´ ich dir die Eier ab!“
„Vater!“ Catharina erkannte seine hünenhafte Gestalt nur wenige Hirschsprünge von ihr entfernt. Niemals zuvor hatte sie ihn auf solch derbe Weise fluchen hören.
Die Tirade an unflätigen Schimpfwörtern und Morddrohungen verstummte jedoch augenblicklich, als er ihre Stimme vernahm.
„Cathi?“ Sein Blick suchte sie
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