Die Hüter der Unterwelt - Die Seele der Schlange (German Edition)

Ströme umspielen ihre Knöchel, als sie in die Quelle springt und deren Windungen folgt.
    Doch nur wenige Fuchslängen weiter stürzt der Wildbach eine Klippe hinab, sie verharrt mit einem vergnügten Knurren an der Kante.
    Weicher, silbrigweißer Dunst streicht über ihre Haut.
    “Gedenkst du, hier auf mich zu warten?”, erklingt seine amüsierte Stimme hinter ihren Schläfen.
    “Träum weiter.” Der Wind trägt das herausfordernde Wispern davon, doch er hört es. Sein Lachen tanzt in ihrer Seele.
    Sie breitet die Arme aus, senkt ihre Lider und lässt die reine, eisige Luft ihren Atem durchdringen. Sie fällt.
    Rotgoldene Schwingen entfalten sich mit flüsterndem Schwung, das Blut rauscht unbändig durch ihre Adern.
    Nur zwei Wimpernschläge später berührt ruhiges Wasser ihre Kniekehle, sie gräbt die Zehen in feinen Sand.
    “Welch anmutiger Sprung, kleine Sünde!”
    Sie faucht leise, die spielerischen Worte verraten, wie nah er ihr bereits gewesen ist.
    Wellen kräuseln sich dort, wo eben noch ihre Beine ruhten.
    Catharina huscht die flache Teichböschung hinauf, Blätter streifen über ihr Gesicht und schließlich umfängt sie die wilde Umarmung ihres Waldes.
    Der Duft des erwachenden Tages schwebt durch das Unterholz, Wurzeln, Wildblumen und Moosteppichen sind in dunkelblaue Schemen getaucht.
    Sie wird zu einer Elfe, unwirklich, wunderschön, katzenflink und ungreifbar in ihrer keltisch anmutenden Heimat.
    Ihr Leben ist ein Traum und eine schillernde Sage, die die Sterblichen sich erzählen sollten. Ein Leben im Schatten der Sünde. Fern von jeder Sittsamkeit und Demut.
    Weiter von Gottes Pfaden gewichen, als ein Gläubiger es je glauben könnte, mit Luzifers Blut in den Adern und einem flammenden Herzen, das seinem ersten Höllenfürsten gehört.
    Vipers Arme umschlingen völlig unvorhergesehen ihre Hüfte und reißen sie mit sich zu Boden. Das atemlose Lachen tanzt durch die Dämmerung, als er sie herumrollt und ihr Rückgrat sich zwischen Farn und duftenden Kräuter schmiegt.
    “Nicht schnell genug”, flüstert er an ihrer Halsbeuge, die Hände neben ihrem Kopf federnd auf den Waldboden gestemmt. “Denk daran, falls du versuchen solltest, mir davonzulaufen.”
    “Ich laufe davon wie es mir beliebt!”, erwidert sie bockend, doch das schalkhafte Vergnügen klingt in ihrer Stimme nach.
    “Und ich jage dir nach wie es mir beliebt.”
    Vipers Körper drückt sich von der Hüfte aufwärts an den ihren und sein liebkosender Atem auf ihrer Kehle lässt sie erschaudern.
    “Wirst du mir nun sagen, welches Wort es war, das Luzifer hinters Licht führte?” Nun blickt er ihr in die Augen, das Gesicht nur einen Hauch von dem ihren entfernt und sein silbernes Haar streicht über ihre Wangenbögen.
    Das verruchte Lächeln einer Diebin umspielt Catharinas Lippen. Neckisch beugt sie sich nach vorn, berührt mit blitzenden Zähnen sein Ohrläppchen und wispert ihm des Rätsels Lösung zu.
    Unglauben lodert in Vipers Smaragdaugen, doch sein Lachen lässt ihre Seele singen. “Du listige, kleine Höllenkatze!”
    Seine Hand wandert an ihrer Schläfe entlang und vergräbt sich in dem unbändigen Haar, das fächerförmig um ihren Leib liegt. Dunkel und glänzend spiegelt es das Morgenrot.
    Leidenschaftlich finden Vipers Lippen ihren Mund, auf dass sie jeden Gedanken vergisst und nur noch dem glühenden Feuer nachzuspüren vermag.
    “Und wenn du mir die Welt zeigst, Herr der Lüge …”Catharinas Flüstern ist seidig und klangvoll wie der Wind selbst. “… wird sie dich noch einmal erfreuen können?”
    “Mit dir an meiner Seite werde ich das Leben kosten, kleine Sünde. Zum ersten Mal.”
    Ihre Augen entflammen, während sie zu ihm auflächelt, das Glück durch jeden Splitter ihres Seins fließen fühlt. 
    Und hinter ihnen erhebt sich das glutvolle Antlitz der Sonne, einem stillen Versprechen gleich.