Die Hueterin der Geheimnisse
große Götterlästerung!«
Leof hatte noch nie erlebt, dass sie ihre Gefühle so offen zeigte.
»Dann wollen wir hoffen, dass uns die Götter helfen«, sagte er ernst.
Sorn nickte. »Ich werde darum beten«, sagte sie einfach. Dann wandte sie sich Hodge zu.
»Sergeant, kommt, ich werde Euch und den Euren etwas zu essen machen lassen.«
Hodge lächelte. »Danke, meine Lady, aber ich habe hier in der Stadt mein Zuhause. Mit der Erlaubnis meines Lords?«
Leof entließ ihn mit einer Geste. »Aber seid früh wieder hier. Will mein Lord Thegan Euch wieder bei sich haben?«
Hodge schüttelte den Kopf. »Ich soll Alston bei der Ausbildung der Eidknappen helfen. Wir haben mittlerweile mehr darüber in Erfahrung bringen können, wie diese Geister kämpfen.« Er legte eine Pause ein, als überlege er, ob er näher darauf eingehen sollte.
»Am Morgen«, sagte Sorn mit gespielter Strenge. »Geht jetzt nach Hause.«
»Danke, meine Lady«, sagte Hodge und ging mit neu gewonnener Energie davon.
Sorn und Leof schauten einander an. Er fragte sich, ob Sorn die Bedeutung dessen begriff, was Hodge gesagt hatte.
»Also«, sagte sie zögernd, »mein Lord ist jetzt der Kriegsherr einer freien Stadt mit einem schönen großen Seehafen.«
Er holte tief Luft. Sie hatte es verstanden, das war sicher. »Jawohl«, sagte er. »Ohne dass sich Widerspruch geregt hätte.«
Ihre Blicke begegneten sich, und beide nickten fast unmerklich. Sie waren sich beide im Klaren über Thegans Ambitionen und zugleich überrascht, bei ihrem Gegenüber Unbehagen darüber zu spüren.
»Ich frage mich, ob jemand die einheimischen Götter von Carlion gefragt hat, was ihrer Meinung nach unternommen werden sollte?«, sagte Sorn.
»Thegan zieht die Götter nicht zurate«, sagte Leof, ohne nachzudenken, aber er sagte damit die Wahrheit. Thegan betete nur an Festtagen, wenn alle zugegen waren, vor dem Altar.
»Ich weiß«, sagte Sorn. Das war alles. Doch Leof nahm plötzlich einen tiefen Riss zwischen Sorn und Thegan in dieser Glaubensfrage wahr. Sie war fromm, wie jeder in Sendat wusste, während er … Leof war sich nicht sicher, ob Thegan überhaupt an die Götter glaubte. Allerdings war es für ihn unvorstellbar, dass jemand nicht an sie glauben konnte. An Thegans Einstellung zum See war es jedoch offenkundig geworden; es schien, als könne er es nicht ertragen, dass irgendetwas mächtiger war als er selbst.
Erbarmen mit diesem Zauberer, wenn Thegan ihn zu fassen bekommt, dachte Leof. Wenn er es schon nicht ertragen kann, dass die Götter so mächtig sind, dann wird er umso mehr einen Menschen vernichten, der eine so große Macht besitzt.
Sorn blieb stehen. Sie hatte ihre Gefühle jetzt wieder im Griff. »Ihr solltet nun essen und danach verkünden, dass unsere Leute allesamt unversehrt sind, nachdem sie Carlion nach der Attacke eines unbekannten Angreifers zu Hilfe geeilt sind.«
»Ja«, sagte er und nickte. »Das ist genau das, was ich tun sollte.«
Sie errötete, als sei sie bei etwas Anrüchigem ertappt worden. »Mein Lord, ich hatte nicht die Absicht, Euch Anweisungen …«
Er lachte. Zunächst erschreckte sie seine Reaktion, doch dann erwiderte sie sein Lächeln zaghaft. Freudig sprang Fortune vom Kaminvorleger auf, bereit für ein Spiel. Er schlich sich an Leof heran, und dieser zog ihn sanft an den Ohren, während er Sorn ein Lächeln schenkte.
»Meine Lady, ich befinde mich ohne eine Karte in einem unbekannten Land und bin dankbar für jede Anweisung.«
Nun verbreiterte sich ihr Lächeln. Es war aufrichtig und wies den Anflug von Schalk auf. »Wir wandeln allesamt über unbekannte Pfade, mein Lord, und einige davon sind äußerst unwegsam.«
»Nun, dann müssen wir einander einfach helfen, damit wir nicht direkt auf unsere Hinterteile fallen«, sagte er vergnügt und bot ihr den Arm, um sie in die Halle zurückzuführen.
Sie fing an zu lachen. Es war das erste Mal, dass er dies hörte, und es klang sehr angenehm. Er hatte das Lachen einer Frau vermisst. Auf dem Rückweg in die Halle lachten sie noch immer, während Fortune hinter ihnen herumtänzelte. Leof merkte, dass dies das Beste war, was sie hatten tun können, da die Spannung in dem Raum sofort abnahm und nach Leofs Ankündigung gänzlich verschwand. Sie wurde abgelöst durch Gerede und Mutmaßungen über den »unbekannten Angreifer«.
Stellt doch Mutmaßungen an, so viel ihr wollt, dachte Leof. Keiner von uns vermag euch zu sagen, wer der Angreifer ist. Er führte Sorn zu
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