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Die Hueterin der Geheimnisse

Die Hueterin der Geheimnisse

Titel: Die Hueterin der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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bist du wahnsinnig?« Panische Angst ließ ihre Stimme schrill klingen. »Das ist doch der Chaosstein! Dabei könnte alles Mögliche passieren!«
    »Der leere Stein steht für Möglichkeiten.«
    »Schlechte wie gute«, sagte Zel.
    »Etwas anderes haben wir nicht, es sei denn, du willst ein Stück des Obsidians am See abschlagen und das benutzen.«
    Ein Schauer durchlief sie beide.
    »Nein«, sagte Zel, atemlos vor Entsetzen bei dem Gedanken daran. »Nein.«
    »Also dann. Wir dürfen das Ritual nicht unvollendet lassen. Das würde ihn gegen uns und die unsrigen aufbringen.«
    Zel setzte eine unergründliche Miene auf und schwieg eine Weile. Dann sagte sie: »Frag sie. Frag die Steine, ob du ihn benutzen sollst.«
    Martine kauerte sich auf dem Gras nieder, spuckte sich in die Hand und reichte sie Zel. Selbst fragen konnte sie nicht. Wenn ein Steinedeuter für sich selbst warf, war das die Beschäftigung eines Narren, aber wenn Zel fragte, würde es funktionieren.
    Zel umklammerte ihre Hand und flüsterte: »Sollen wir den leeren Stein als neuen Feuerstein benutzen?«
    Ohne zu zögern, holten Martines Finger aus dem Beutel fünf Steine hervor. Das allein verriet ihr, dass es eine echte Deutung war, stark und wahrhaftig. Sie warf die Steine. Der leere Stein kam zuerst. Dann Geheimnis, Nacht, Jubel und Kummer.
    »Verdammte Höllenbrut!«, sagte Zel.

    Martine lächelte grimmig. »Nun? Willst du es riskieren?«
    »Sprechen sie zu dir?«
    Sie schüttelte verneinend den Kopf. »Aber es ist eine wahrhaftige Deutung. So wahrhaftig sie nur sein kann. Wir haben hier sowohl Jubel als auch Kummer. Es könnte alles passieren.«
    Mit einer anmutigen Bewegung, bei der Martine sie um ihre Jugend beneidete, richtete sich Zel auf. Sie blieb einen Moment stehen und starrte zum Altar.
    »Wenn es übel ausgeht, können wir in den See springen«, sagte Zel.
    »Bevor ich da reinspringe, muss es aber schon ziemlich übel sein.«
    Schweigend standen sie da. Der Wind war verebbt. Der See reflektierte den Himmel perfekt. Es sah aus, als spiegele er sämtliche Sterne des Firmaments wider. Nur der Altar war stumpf, ein schwarzer Fleck auf dem Blau.
    »An diesem Abend sollte der Altar nicht dunkel sein«, sagte Martine, die plötzlich ihrer Sache sicher war. »Wir werden den Stein benutzen, den wir haben.«
    Zel nickte. »Wenn du meinst.«

    Zel hielt den Feuerstein, und Martine traf ihn sauber mit dem Schlagstein, hart und schnell, wie es sich gehörte, sodass helle Funken auf den Zunder sprangen. Zel blies vorsichtig darauf, damit der Zunder Feuer fing, und Martine sagte: »Nimm unseren Atem, um dein Wachstum zu beschleunigen.«
    Als der Zunder Feuer fing und kleine Flammen nach oben leckten, spürte sie ihn kommen. Allerdings war es diesmal keine sich langsam aufbauende Erregung, keine Hitzewelle in ihren Lenden, kein Gefühl, begehrt zu werden. Es war eine Flamme, die emporschoss.

    Eilig trat sie zurück und zerrte Zel dabei mit sich.
    Auf das, was nun geschah, war sie nicht vorbereitet, obwohl sie ihr ganzes Leben mit den Göttern gelebt hatte. Das Feuer bullerte hinauf, höher, immer höher, weit stärker, als es mit dem wenigen Zunder, den sie ihm als Nahrung gegeben hatten, hätte möglich sein können. Die Hitze war so intensiv, dass sie bis an den Rand der Insel zurückwichen. Martine zögerte. Sollten sie sich umdrehen und weglaufen, oder würde es dadurch noch schlimmer werden?
    Dann wurde ihnen die Entscheidung abgenommen.
    Der Obsidian Lake reagierte. Kreisrund stieg um sie herum das Wasser des Sees an wie eine Wand, schirmte den Großen Wald vor dem Feuer ab, schnitt ihnen jedoch auch den Fluchtweg ab. Das Wasser fing an sich zu erheben, gen Himmel zu wirbeln, wie ein Strudel mit Wasserwänden, höher und höher steigend, bis die beiden Frauen zwischen Feuer und Wasser eingeschlossen waren. Beide Elemente tosten, bäumten sich auf, standen sich wie Feinde unversöhnlich gegenüber.
    Zel stand reglos da, die Augen geweitet und auf das Feuer geheftet.
    Martine folgte ihrem Blick - und sah ihn nun auch.
    Sie hatte geglaubt, schon so alt zu sein, dass sie der Verlockung durch einen leidenschaftlichen jungen Mann gegenüber unempfänglich wäre, einem schlimmen Jungen mit vollen Lippen und durchdringendem Blick. Sie hatte geglaubt, zu alt zu sein für zügellosen, zwanglosen, schamlosen Sex und dass sie sich niemals jemandem vollständig hingeben würde, nicht einmal ihm.
    Aber hätte er sie angeschaut, wie er Zel anschaute, hätte sie

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