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Die Hueterin der Geheimnisse

Die Hueterin der Geheimnisse

Titel: Die Hueterin der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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sich gut um alles, und er wird euch sicher führen, wenn die Zeit gekommen ist, um die Reise über die Berge zu der neuen Siedlung anzutreten.«

    Ragni schniefte und spuckte erneut aus. Dabei schaute sie über das Feuer hinweg zu einem Tisch, an dem Männer saßen und sich unterhielten. Asgarn saß bei ihnen, erkannte Bramble, und die anderen waren Stammesführer, die bei der Großen Versammlung auf der Felsplatte gestanden hatten.
    »Du solltest mit dort drüben sitzen«, sagte Ragni.
    »Ach, ich bin nicht so gut darin, auszurechnen, wie viele Fässer in soundsoviele Karren passen, Ragni«, antwortete Acton leichthin. »Sie können ihre Planungen gut und gerne allein machen. Wir brauchen gute Pläne, damit alle, die es wollen, es vor dem nächsten Winter über die Berge schaffen und in guten, massiven Hallen sitzen.«
    »Das wird nicht klappen.«
    »Nicht in einem Jahr«, stimmte Acton ihr zu. »Es wird sich in Etappen abspielen müssen. Die Bewohner der Gehöfte, die den Bergen am nächsten liegen, müssen als Erste umziehen und die anderen, die von den Kriegern des Eiskönigs hart bedrängt werden, in ihre Gehöfte einziehen lassen.«
    »Ich dachte, du wärst nicht gut im Planen?«, erwiderte Ragni. Er lachte.
    Das Feuer knisterte und zischte, als ein Kuhfladen in ihm zerbarst und schwelend verbrannte. »Das ist der Geruch von Heimat«, sinnierte Acton. »Jenseits der Berge verbrennen sie die ganze Zeit Holz, kannst du dir so etwas vorstellen?«
    Ragni zog die Nase hoch. »Ich vermisse deine Mutter«, sagte sie.
    Acton tätschelte ihr Knie. Es war eine tröstende Berührung, warm und sanft.
    »Ich auch«, stimmte er ihr zu.
    Er schaute auf, als die Tür aufging. Draußen war Nacht, und es herrschte Winter. Es schneite leicht, aber ausdauernd, und die vom Feuer beleuchteten Schneeflocken glänzten wie Sterne.

    »Da kommt Baluch«, freute sich Ragni. »Spiel uns eine Weise, mein Junge.«
    Baluch löste das Schultertuch, das er sich um das Gesicht geschlungen hatte. Er zog sich Handschuhe und Mantel aus und setzte sich dankbar ans wärmende Feuer. Dann angelte er eine Flöte aus seiner Tasche. »Es sieht nach einer stürmischen Nacht aus«, prophezeite er fröhlich. »Wie es ihnen auf der anderen Seite der Berge wohl ergeht? Bestimmt ist es dort nicht so kalt wie hier.«
    Acton grinste ihn an. »Da ist aber kein Asgarn, der dich in die Kälte hinaustreibt, damit du dich um die Schafe kümmerst«, zog er ihn auf.
    »Jenseits der Berge wärst du genauso streng«, gab Baluch zurück.
    »Oh, aber ich bin dort genauso wenig Stammesführer wie hier, Bal. Ich bin bloß ein Handlanger.«
    »Du bist Swefs Erbe«, unterbrach ihn Ragni energisch. »Lass nicht zu, dass er das vergisst!«
    Acton lachte. »Wili ist Swefs Erbe, Ragni.«
    »Ein Mädchen! Nun, das ist ein lösbares Problem. Es wäre eine vorteilhafte Heirat für euch beide, und dein Platz als Stammesführer wäre gesichert.«
    Acton machte eine wegwerfende Geste. »Um die Wahrheit zu sagen, Ragni, mir ist es egal, selbst wenn ich nie Stammesführer werde, weder dort drüben noch sonst wo.«
    Die alte Frau machte das Zeichen, mit dem man Unheil abwendete. »Lass die Götter das nicht hören, Junge!«
    Die beiden jungen Männer lachten, während Ragni sie kopfschüttelnd anschaute und mit der Zunge schnalzte.
    »Ts, ts! Ihr solltet euch schämen, über eine alte Frau zu lachen!« Ihr Tonfall war jedoch nachsichtig.
    Erneut fragte sich Bramble, ob sie nun schlichtweg Actons Leben durchmachen würde, Tag für Tag, Stück für Stück,
bis er starb und der Zauber gebrochen wurde. Wo würde sie sich dann wiederfinden? Wieder am Obsidian Lake oder in der Dunkelheit jenseits des Todes, auf die Wiedergeburt wartend? Einem Teil von ihr war es gleichgültig. Wie als Antwort auf diesen Gedanken hörte Baluch auf zu lachen und erhob sich.
    Sein Gesicht war kreideweiß, die Augen krampfhaft geweitet, als versuche er, durch die Mauern der Halle hindurchzusehen. Er ließ die Flöte fallen, und sie fiel ins Feuer, doch er bemerkte es gar nicht. Acton versuchte, sie mit einem Stock herauszuschnipsen, doch die Flöte fing sofort Feuer und verbrannte mit gleißend hellen Flammen. Diese beleuchteten Baluchs Gesicht von unten und verwandelten es in eine Totenfratze, in die Maske eines Totenkopfes mit einem Mann darunter.
    Nein , dachte Bramble. Sie erkannte die Berührung durch die Götter selbst in der Ferne und spürte, wie sie sich in Baluch ergossen und ihm den Verstand öffneten.

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