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Die Hueterin der Geheimnisse

Die Hueterin der Geheimnisse

Titel: Die Hueterin der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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sodass er eines Tages jemand anderen darin würde unterrichten können … seinen Sohn, seine Tochter … und die Lieder so fortbestehen würden, wie sie schon seit mehr als tausend Jahren bestanden. Alle. Wenn sein Vater ihm nicht alle Lieder beigebracht hatte, dann war keines von ihnen etwas wert.
    Kein Einziges.
    Er wünschte, er könne jedes einzelne Lied, das er je kennen gelernt hatte, aus seinem Gedächtnis tilgen.
    Der leichte Wind trug das Geräusch der Tiefe mit sich,
Vogelgezwitscher, Käfer und Kleintiere, die in dem Blätterteppich umherkrabbelten sowie der durch sein Bett brausende Hidden River. Ash fand die Tiefe immer beunruhigend, doch die Geräusche des Lebens hoben seine Stimmung. Vielleicht, ja vielleicht kannte sein Vater die Lieder ja nicht, von denen Safred gesprochen hatte. Hinter ihm ertönte ein leises Geräusch, ein Fuß auf Kies. Er wirbelte herum und zog noch in der Bewegung sein Messer.
    Die Männer kamen aus der Höhle heraus, nach wie vor nackt, aber nun mit den eigenen Gesichtern versehen. Rasch steckte Ash sein Messer wieder ein. Sein Vater erreichte ihn als Erster. Er hatte ein breites Grinsen aufgesetzt und umarmte ihn.
    »Ash! Du hast es geschafft!«
    Ash wusste, er hätte seine Kleider dort lassen sollen, wo sie waren, doch seinen Vater zu umarmen, während sie beide nackt waren, fühlte sich immer seltsam an, und er hatte beschlossen, sie sich lieber nachher wieder auszuziehen, als dieses fremde Gefühl ertragen zu müssen.
    Flax schaute von einem Gesicht zum anderen, von einem Körper zum anderen. Dann ging ihm ein Licht auf.
    »Es sind gar keine Dämonen, oder?«, fragte er Ash entrüstet.
    »Nur nachts.« Rowan lachte. »Wenn der Fluss uns unsere wahren Gesichter gibt.«
    Flax machte Anstalten, sich zu beschweren, doch Ash kam ihm zuvor. »Wir haben Wichtigeres zu besprechen.« Er schaute sich reihum die Gesichter an, die er so gut kannte. Freunde, ein Onkel seiner Mutter, sein Vater … Sie schauten ihn mit freundlichen Augen an. Aber würden sie das immer noch tun, wenn er verlangte, die geheimen Lieder beigebracht zu bekommen? Oder würde er verstoßen werden und niemals zurückkehren können? Würde er schon wieder
seinen Platz in der Welt verlieren? Sein Herzschlag beschleunigte sich, aber er musste es ansprechen.
    »In der Welt dort draußen geschehen Dinge, von denen ihr wissen müsst«, sagte er. »Und da gibt es etwas, um das ich euch bitten muss.«

Martine
    Caels Wunde verheilte nicht. Sie verschlimmerte sich auch nicht, und sein Fieber war nicht hoch, aber trotzdem konstant. Er verlor an Gewicht. Zel und Martine mussten tiefer in den Wald gehen, um Mutterkraut und Beinwell zu suchen.
    »Du musst zum Altar gehen«, sagte Safred beim Frühstück. »Am Altar wäre ich bestimmt in der Lage, es zu heilen.«
    Cael betrachtete den See voller Abscheu. »Es geht mir gut. Ich schaffe es schon, bis wir wieder aus dem Wald heraus sind.«
    »Du siehst müde aus«, wandte Zel ein.
    »Ich schlafe gut. Letzte Nacht habe ich wie ein Toter geschlafen. Jede Nacht eigentlich, seit wir hier sind.« Er klang ein wenig überrascht.
    Safred wirkte nachdenklich. »Ich auch«, sagte sie. »Was ist mit euch beiden?«
    Martine mied Zels Blick. »Letzte Nacht hatte ich Mühe einzuschlafen«, sagte sie wahrheitsgetreu, »aber dann habe ich fest geschlafen.«
    »Ich auch«, sagte Zel.
    »Vielleicht ist etwas in der Luft«, sagte Safred.
    Etwas von den Göttern, dachte Martine. Oder es ist das Feuer, das uns beschützt. Der Gedanke, dass der Feuergott
selbst in seinem Zorn seinen Schutz nicht aufgehoben hatte, erwärmte sie. Bramble bewegte sich, wälzte sich von einer Seite auf die andere, als habe sie Schmerzen. Martine beugte sich über sie und strich ihr über das Haar. Sie versuchte, Bramble Wasser zu geben, doch sie presste ihre Lippen fest zusammen.
    »Es spielt keine Rolle, ob du schläfst«, sagte Safred streng zu Cael. »Du musst geheilt werden. Komm mit zum Altar.«
    Resigniert gab er nach. »Also gut.«
    »Safred«, sagte Martine. »Ich glaube nicht, dass die Götter wollen, dass du das tust.«
    Von der Mitte des schwarzen Altars stieg Dunst auf. Schon als sie in der Morgendämmerung erwacht waren, hatte Nebel auf dem Wasser gelegen, war jedoch verschwunden, als die Sonne darauf schien. Jetzt, am Mittag und im warmen Sonnenschein, waberten Nebelschwaden um den Altar und breiteten sich aus, trieben über den See auf sie zu, genauso wie in der ersten Nacht, als sie Bramble zum Altar

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