Die Hueterin der Geheimnisse
Ansiedlung und dann nach Foreverfroze«, sagte Arvid. »Es geht um Märkte, darum, Lebensmittel zum Verkauf nach Mitchen zu schicken. Die Valuer und ich heuern gemeinsam ein Schiff an, um an der Küste Handel zu treiben.«
»Bis nach Turvite?«, fragte Cael und schob sich auf seinem Fuchs ein wenig nach vorn.
Arvid wirkte überrascht. »Das hatten wir eigentlich nicht vor«, sagte er mit einem fragenden Unterton in der Stimme.
»Wir müssen nach Turvite«, antwortete Safred. »Wir waren nach Foreverfroze unterwegs, um dort ein Schiff aufzutreiben, das uns dorthin mitnimmt. Die Götter sagten, wir würden heute jemanden hier treffen, der uns hilft. Ich dachte , sie meinten damit Silber, aber eine Mitfahrgelegenheit auf einem Schiff wäre noch besser!«
Ihre Begeisterung und Arvids schwer geprüfter Gesichtsausdruck brachten Cael zum Lachen.
»Mir scheint, die Götter benutzen mich als Geldquelle!«
»Immerhin seid Ihr von Nutzen«, sagte Martine leise.
Er hob rasch die Augen, um ihrem Blick zu begegnen, und dieses Mal war er es, der errötete. »Nicht alle Kriegsherrn sind nutzlos«, sagte er.
»Das behaupten sie alle«, erwiderte Martine. Sie würde dem Feuer in ihren Inneren nicht nachgeben, ganz gleich wie heftig ihr Herz schlug, als Arvid sie ansah. Dies hier war bloß eine Auswirkung des Rituals, nichts Persönliches.
Ein ihm besonders ergebener Mann rückte mit seinem Pferd näher heran, als stelle Martine eine Bedrohung dar, und sah sie mit grimmiger Miene an. »Mein Lord ist der beste Kriegsherr in den Domänen!«, erklärte er. Überrascht erkannte Martine, dass es gar kein Mann war, sondern eine braunhaarige, etwa dreißig Jahre alte Frau, kräftig, groß gewachsen und flachbrüstig. »Mein Lord teilt seinen Wohlstand und seine Macht«, fuhr die Frau fort. »Er hat sogar einen Rat mit allen Dorfsprechern in der Domäne eingesetzt, die die Gesetze verbreiten!«
»Hält er sich an ihren Rat?«, fragte Martine mit Blick auf Arvid.
Dieser lächelte und antwortete ihr selbst. »Das tut er, wenn er kann. Wenn er es nicht kann, erklärt er es und erhält ihre Zustimmung.«
»Immer?«
Arvid nickte. »Bis jetzt schon. Die Dorfsprecher sind im Allgemeinen vernünftige Leute. Und immer mehr von ihnen sind Valuer, was die Einigung noch einfacher macht.«
»Ein Kriegsherr, der Valuer schätzt?« Martines Tonfall war skeptisch, doch sie hielt den Blick weiter auf ihn gerichtet. Das wäre mehr als ungewöhnlich - das wäre außergewöhnlich. Konnte er etwas so Besonderes sein?
»Meine Mutter war Valuerin«, sagte er nur.
Martine nickte kurz und löste dann ihre Augen von den seinen. Wenn sie ihren festen Blick noch länger aufrechterhalten hätte, wäre sie darin versunken. Ob Valuermutter oder nicht, er war ein Kriegsherr und stand ihr ganz fern. Das Pochen ihres Herzens bei diesem Gedanken überraschte sie.
»Brechen wir auf«, sagte sie.
Arvid stieß sein Pferd leicht an, um es zum Schritt zu bewegen, und lenkte es dann neben Martines Fuchs. »Heute Abend schaffen wir es bis zur Ansiedlung, und dann reiten wir weiter nach Foreverfroze«, sagte er gesellig. Martine drehte sich um und schaute ihn an. Dabei setzte sie eine so undurchdringliche Miene auf, wie sie nur konnte. Er lächelte dennoch. »Ich bin kein Gewaltherrscher«, sagte er leise. »Verurteile mich nicht ohne Beweise.«
Sie schnaubte übertrieben ungläubig, doch ihre Hand fuhr Trost suchend zu dem Beutel Steine an ihrem Gürtel. Sie wünschte, sie könnte die Steine für sich selbst werfen, um zu erfahren, was er für sie bedeutete. Als ihr Herz das letzte Mal so schnell für einen Mann geschlagen hatte, war sie noch ein kleines Mädchen und mit Cob zusammen gewesen. Das hatte ihr tiefen Kummer eingebracht, und dabei war er einer aus ihrem Volk gewesen. Arvid zu ermutigen konnte zu nichts Gutem führen. Trotzdem ließ sie ihn neben sich reiten, während Safred, Cael und Zel ihnen folgten, und
sie nahm jede Bewegung seines Schenkels gegen das Pferd wahr, jede Bewegung seiner Hände an den Zügeln. Sie war froh, als Trine Missfallen an Arvids Pferd fand und nach vorne drängte, um nach ihm auszutreten, denn nun zuckte Arvid wehmütig mit den Schultern und ritt an die Spitze der Kolonne, um sich von ihr zu entfernen.
Ihr ganzes Leben lang hatte Martine von der Ansiedlung der Valuer gehört und hatte sich, wie die meisten Wanderer, ausgemalt, dort einmal in Freude und Harmonie zu leben. Aber es war bloß ein Bauernhof. Zugegeben, ein sehr
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