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Die Hueterin der Geheimnisse

Die Hueterin der Geheimnisse

Titel: Die Hueterin der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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die Hand abgehackt.«
    Endlich wurde Baluchs Blick klar. Der Sprecher war ein zur Glatze neigender älterer Mann, etwa fünfzig, mit einem buschigen grauen Bart und leuchtend blauen, wütenden Augen. Er war gekleidet, wie es die Männer bei dem Übungskampf
gewesen waren, in weit geschnittener Strumpfhose und einem grob gesponnenen Waffenrock. Über seinen Schultern hing ein großer Umhang aus Kaninchenfell. Schockiert erkannte Bramble, dass die Brosche, die den Umhang hielt, eine größere Version derer war, die sie auf dem schwarzen Felsaltar mit ihrer Hand bedeckt hatte. Einen Moment lang fragte sie sich, wie lange sie unterwegs gewesen war, angespült von der Brandung der Erinnerung ihrer Vorfahren. Was die anderen wohl taten, dort am dunklen Gewässer? Das Bild von Bäumen, Wasser, dem ansteigenden Nebel tauchte plötzlich vor ihrem inneren Auge auf, wurde aber von der unmittelbaren Empfindung, dass Baluch nun spuckte und abermals spuckte, um die Asche aus seinem Mund zu bekommen, beiseitegefegt.
    »Es reicht, Vater«, erklang da Asas Stimme. »Er hat begriffen.«
    Sie reichte Baluch ein Horn mit Wasser und eine Schüssel. Er griff danach und spülte sich den Mund immer wieder aus.
    »Hmmm«, grunzte der Stammesführer. »Sehr gut. Wir beginnen die Suche nach dem Kind beim ersten Tageslicht.«
    Er drehte sich um und ging davon. Erst jetzt bemerkte Bramble, dass sie sich in einer Ecke der großen Halle befanden, wo sich an den mit Läden verschlossenen Fenstern ein violettfarbenes Dämmerlicht abzeichnete. Draußen pfiff der Wind um das Gebäude, und die Wände strahlten Kälte aus. Die Halle war brechend voll mit Männern, Frauen und Kindern, von denen sich die meisten offensichtlich unbehaglich fühlten, miteinander sprachen und das Feuer in der Mitte mieden. Dort hockte eine Frau in Asas Alter und wiegte sich, die Hände vor das Gesicht gehalten, vor und zurück, während ihr eine andere Frau beruhigend den Rücken tätschelte.

    Baluch hatte das Wasser in dem Horn verbraucht. In seinem Mund befand sich keine Asche mehr, mochte sich die Haut auch noch zusammenziehen und er einen scharfen Geschmack im Mund verspüren. Er starrte in das verrußte Wasser im Becken. Bramble spürte seine Verzweiflung und hörte eine leise, dunkle Musik, tiefe Noten, volltönend gespielt - eine Totenklage. Sie wusste, dass sie aus Baluchs Geist kam, doch er selbst schien sich dessen nicht bewusst zu sein.
    Als sich ihm eine Hand auf die Schulter legte, schaute er nicht auf, als wisse er, um wen es sich handelte. »Ich weiß, wo sie ist«, flüsterte er.
    Das Gewicht der Hand verschwand, und Acton kam in sein Sichtfeld, dreizehn Jahre alt, vielleicht jünger. »Wo?«
    Baluch machte eine vage Geste mit der Hand, in der er das Trinkhorn hielt. »Eine Höhle unter einem Felsgrat. Beschreiben könnte ich es nicht gut, aber finden würde ich es.«
    »Hmm«, sagte Acton.
    Baluch hob den Kopf. »Ich könnte es. Dein Großvater glaubt, dass ich lüge, doch dem ist nicht so!«
    »Pst«, mahnte ihn Acton. »Wenn er mitbekommt, dass du das schon wieder behauptest, dann verlierst du eine Hand. Die Götter sprechen nur zu dem Stammesführer.«
    »Aber meine Mutter hatte seherische Fähigkeiten …«
    »Athel war eine Frau und stand unter seiner Herrschaft. Sie stellte überhaupt keine Bedrohung für ihn dar.«
    »Ich bin doch auch keine Bedrohung. Jeder weiß, dass du der nächste Stammesführer sein wirst …«
    »Vielleicht sind es ja nicht die Götter«, sagte Acton, nicht darauf eingehend und plötzlich vergnügt, » vielleicht ist es ein freundlicher Geist.«
    »Oh, das wird er uns nicht abnehmen.«

    »Nein. Aber wenn wir sie lebend zurückbringen, wird er so tun, als glaube er es. Komm.«
    Die Trauermelodie in Baluchs Kopf verhallte und wich etwas Wärmerem, tiefe Noten nach wie vor, doch mit Hoffnung in ihrem Herzen. Stumm folgte er Acton aus dem hinteren Bereich der Halle in eine kleine Kammer, in der Asa und ein paar Frauen mit Kerzen in der Hand warteten.
    »Ihr werdet euch verirren«, murmelte eine von ihnen und warf dabei einen finsteren Blick auf Baluch.
    Acton grinste sie an und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. »Ich kenne diese Hügel wie meine Westentasche, Gret. Vertraust du mir nicht?«
    Sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Ich traue dem Wetter nicht. Für mich riecht es nach einem Schneesturm.«
    Acton nickte ernst. Sein goldenes Haar glänzte im Lichtschein der Kerzen.
    »Deshalb müssen wir schnellstens

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