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Die Hueterin der Geheimnisse

Die Hueterin der Geheimnisse

Titel: Die Hueterin der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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diesem Gedanken nahm alles wieder normale Größe an. Sie machte den letzten Schritt über den kniehohen Rand und bettete Bramble sanft auf den Obsidianfelsen.
    Dort stand Cael, den sie zuvor gar nicht wahrgenommen hatte. Hatte sie das wirkliche Seeufer gesehen, oder war es ein anderes Land in einer anderen Zeit gewesen? Diesen Gedanken verdrängte sie schnell wieder. Cael machte Anstalten, Bramble hochzuheben, doch Martine gebot ihm Einhalt. Sie gab ihm den Gürtel, und er benutzte ihn, um Bramble hochzuziehen, ohne die Hände ins Wasser zu tauchen. Er hob sie an, wobei er vor Anstrengung stöhnte, was Martine an seine Verletzung erinnerte. Dann trug er sie zu
dem Lager, das er auf der Anhöhe unter den Bäumen aufgeschlagen hatte. Dort wärmte sich Safred bereits an einem Feuer. Während dieser ganzen Zeit machte Bramble die Augen nicht auf. Ihre Miene war ausdruckslos, nur ihr Körper war angespannt.
    Als es den Sternen nach bald Mitternacht wurde, sah Martine noch einmal nach Bramble und gab ihr Wasser. Sie hatte zwar dunkle Ringe unter den Augen, trank aber mit einem vorsichtigen Lächeln im Gesicht. Zel und Martine hatten ihr die Kniehose ausgezogen und ein Tuch unter sie gelegt, damit sie ihr regelmäßig Wasser zu trinken geben konnten, ohne befürchten zu müssen, dass Bramble ihre Kleidung befleckte. Aus Sittsamkeit hatten sie dann eine Decke locker auf sie gelegt, mit der Martine sie nun wegen der zunehmenden Kälte gut zudeckte.
    Martine holte Feuerstein, Läuferstein und Zunder. Es war die Nacht der Frühjahrs-Tagundnachtgleiche. Seit Elva gegangen war, hatte sie diese nicht mehr gefeiert. Für das Zeremoniell waren mindestens zwei Wanderinnen notwendig, eine, um den Feuerstein zu halten, die andere zum Anzünden. Besser noch waren drei, aber heute Abend waren es eben nur zwei, sie selbst und Zel. Und ein schwarzer Felsaltar. Vielleicht würde Bramble am nächsten Abend oder dem folgenden bei Bewusstsein sein. Sie hoffte es. Es war gut, wenn am dritten Abend drei Frauen anwesend waren, um die drei Schwestern zu verkörpern.
    Sie hatte wirklich nicht vorgehabt, noch einmal über diese bedenklichen Felsrippen zum Altar zu gehen, aber das, was sie mittels ihrer seherischen Fähigkeiten gesagt bekommen hatte, war deutlich gewesen. Der Altar erwartete das Ritual, und das war eindeutig und zwingend. Kein Eisen, von dem man Feuer schlagen konnte. Eisen war etwas zu Neues. Das Ritual reichte zurück bis vor die Zeit, als Menschen zum
ersten Mal Eisen hergestellt hatten. Die Flammen mussten von Stein und Feuerstein entzündet werden. Der Läuferstein musste alt sein, der Feuerstein neu, der Zunder natürlich und keine Köhlerware. Das bedeutete, man musste besonderen Zunder verwenden, denn Funken von einem Läuferstein waren nicht so heiß wie die von einem Feuereisen. Birkenpilz war der einzige Zunder, der leicht brannte. Wie alle Wanderinnen sammelte Martine Birkenpilz, wenn sie welchen sah, und hob ihn für alle Fälle auf. Im Hidden Valley, wo die Birken dicht auf den oberen Hängen wuchsen, hatte sie ein paar davon gesammelt. An einem klaren Wintertag waren Elva und sie hinausgegangen und hatten Drema und Gytha dabei nur gesagt, sie wollten Feuerholz sammeln. Was sie ja auch taten.
    Leise ging sie zu Zel, die sich auf einem Stapel Decken zusammengerollt hatte. Sie wusste nicht, wie fromm Zels Mutter gewesen war - vielleicht kannte Zel die Rituale gar nicht. Doch während sie noch zögerte, schaute Zel unter den Decken hervor, die Augen wie das Licht der Sterne leuchtend, und ohne ein Wort zu sagen, stand sie auf. Dann bückte sie sich, um einen kleinen Stapel Anmachholz, den sie unter der Decke verborgen hatte, in die Hand zu nehmen.
    Gemeinsam gingen sie auf das Wasser zu.
    »Ich habe nur einen Feuerstein«, sagte Martine leise.
    »Ich habe auch nur einen«, sagte Zel.
    Das war ein Problem. An jedem Abend des Rituals musste ein neuer Feuerstein benutzt werden, um Wildfire, den Gott des Feuers anzurufen. Drei Nächte, zwei Feuersteine.
    »Wir werden noch einen suchen müssen«, sagte Martine.
    Zel nickte, wirkte jedoch besorgt. »Und wenn wir keinen finden? Was geschieht, wenn das Ritual nicht vollendet wird?« Die Besorgnis ließ ihre Stimme lauter klingen als für gewöhnlich. Es war merkwürdig zu sehen, wie ihr sonst
so ruhiges Gesicht sich vor Sorge in Falten legte. Zel mochte es nicht, wenn sie etwas nicht selbst in der Hand hatte, das wusste Martine. Zel hatte etwas an sich, was dazu führte, dass

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