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Die Hueterin der Geheimnisse

Die Hueterin der Geheimnisse

Titel: Die Hueterin der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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angegriffen.«
    Thegan richtete sich auf und lenkte seine ganze Aufmerksamkeit auf den Mann wie ein Pfeil, der sein Ziel sucht.
    »Von wem? Doch nicht vom alten Ceouf?«
    »Nicht von den Lebenden, Lord. Von den Toten.«
    Ein Raunen ging durch die Schar der Krieger.
    »In mein Zelt«, sagte Thegan und wies seine Offiziere an, ihm zu folgen. Leof stützte den Mann weiterhin und führte ihn zu der Bank vor Thegans Arbeitstisch.
    »Jetzt«, sagte Thegan.
    »Ich habe versucht, den Rat zu warnen«, sagte der Mann mit apathischer, durch die Erschöpfung geschwächter Stimme. »Ich bin Steinedeuter, ich sah eine Katastrophe auf uns zukommen und habe die Leute gewarnt. Alle Steinedeuter in der Stadt haben sie gewarnt, aber es gab keine Möglichkeit, die ganze Wahrheit aus den Steinen herauszulesen, und deswegen keine Möglichkeit, uns auf einen solchen Angriff vorzubereiten.«
    »Die Toten«, sagte Thegan. »Ein Angriff der Toten?« Er ließ seiner Stimme nichts anmerken.
    Der Mann lächelte. Es war ein wissendes Lächeln. »Ich weiß, das hört sich verrückt an. Erinnert Ihr Euch an die Zauberin, die versuchte, die Geister gegen Acton heraufzubeschwören? Die ihnen Stärke und Körperlichkeit verleihen wollte?«
    Thegan nickte. Diese Geschichte kannte jedes Kind. Nachdem Actons Leute Turvite besetzt hatten, hatte eine wahnsinnige Zauberin versucht, eine Armee der Geister gegen ihn aufzustellen. Es waren die Geister derer, die er getötet hatte. Der Legende nach hatte sie versucht, sie so stofflich zu machen, dass sie wieder kämpfen konnten, und als dies misslang, versuchte sie, die Geister dazu zu bringen, Acton zu vertreiben. Acton hatte sie ausgelacht und gefragt, weshalb
er die Toten fürchten solle, da er sie doch bereits als Lebende besiegt habe. Er wolle, dass sein Volk mit einer Erinnerung an diesen Sieg lebe. Dabei lachte er, und sie verfluchte ihn und sagte, er werde das Einzige verlieren, was ihm lieb und teuer sei, und werde niemals das bekommen, was er sich am meisten wünsche. Er jedoch zuckte nur mit den Schultern, wies auf die Stadt und erklärte, er habe bereits, was er wolle. Daraufhin stürzte sie sich von den Klippen.
    »Jemand hat es geschafft, das zu tun, was sie nicht bewerkstelligen konnte. Jemand hat den Geistern einen starken Arm verliehen.« Hustend stockte der Mann, woraufhin ihm Leof erneut den Wasserschlauch reichte. Dieses Mal trank er reichlich und stieß hinterher einen tiefen Seufzer aus.
    »Sie kamen bei Nacht, es waren etwa hundert. Nur hundert, aber nichts konnte sie aufhalten. Wir hatten die Stadt eine Woche zuvor gewarnt, und die meisten Männer schliefen mit ihren Waffen neben dem Bett, sodass die Geister auf Widerstand stießen. Dennoch war es ein Gemetzel. Wie kann man jemanden töten, der bereits tot ist? Wie jemanden aufhalten, der keinen Schmerz empfindet, der nicht blutet?«
    Leof dachte an eine solche Schlacht und merkte, dass ihm bei der Vorstellung das Blut in den Adern gefror. Den anderen Offizieren ging es nicht anders. Thegans Miene wirkte unergründlich, für Leof aber vertraut. Es war das Gesicht seines Heerführers, eines in der Schlacht gestählten Offiziers, der schon häufig grimmigen Feinden gegenübergestanden und auch in scheinbar ausweglosen Situationen immer noch eine Lösung gefunden hatte. Diese Fähigkeit Thegans war einer der Gründe, warum seine Männer ihm blind folgten; Thegan fand stets einen Weg, wo sie es nicht mehr vermochten.
    »Hackt ihnen die Arme ab«, sagte er. »Hackt ihnen die Beine ab.«

    Der Mann nickte. »Ja«, sagte er, »das könnte funktionieren. Aber Lord, um so etwas zu bewerkstelligen, bedarf es eines ausgebildeten Kämpfers, und wir sind bloß Kaufleute. Sie töteten … sie töteten so viele …«
    »Also bist du geflohen.«
    »Ich habe gekämpft«, sagte der Mann bitter und zog den Ärmel seines Hemdes hoch. Eine lange, kaum geschlossene Wunde wurde sichtbar. »Dann wurde mir klar, dass vielleicht niemand überleben würde und wir eine Armee bräuchten. Daher bin ich zu Euch gekommen. Geritten bin ich seit … ich weiß nicht mehr, wie lange. Drei Pferde habe ich zu Schanden geritten. Es war die Nacht nach Vollmond, als wir angegriffen wurden.«
    Thegan nickte. »Du hast richtig gehandelt. Geh und ruh dich jetzt aus.«
    Tib trat an den Zeltausgang und befahl einem Soldaten, den Mann zu stützen und ihm einen Platz zuzuweisen, wo er schlafen konnte.
    »Warte«, sagte Thegan. »Dein Name?«
    »Otter«, sagte der Steinedeuter. Er

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