Die Hueterin der Krone
bloßen Händen in Stücke reißen!«
Will starrte den schwer atmenden, verängstigten Boten an. Worcester gehörte Waleran, und hinter dem Angriff steckte mehr als nur politische Strategie der Rebellen – es war eine persönliche Attacke von Miles FitzWalter gegen Waleran, den er abgrundtief hasste. Der Krieg breitete sich aus wie glühende Kohlen, die mit einer Mistgabel aus dem Feuer geklaubt und in der Gegend verstreut wurden.
»Das bestätigt meinen Entschluss weiterzuziehen«, verkün dete Stephen grimmig. »Wir werden losreiten, um den Auf stand niederzuschlagen, und eine Abordnung hier zurücklassen, um Wachtürme zu bauen. Ich will, dass die Garnison von Wallingford zu Boden gedrückt wird wie eine Schlange von einer Astgabel.«
Es war schon sehr spät. Brian stand auf dem Wehrgang der Mauer und blickte über den Fluss. Die Nacht war mondlos, nur die Sterne und die Fackeln in Stephens Wachtürmen funkelten kalt. Ihre Garnisonen verhinderten, dass Nachschublieferungen zu ihnen durchkamen, aber sie konnten nichts tun, um Wallingford direkt anzugreifen. Es war Brian gelungen, gelegentlich einen Boten auszuschicken und Informationen einzuholen, aber das war ein gefährliches Unterfangen. Zwei seiner Männer waren gefangen, gefoltert und in Sichtweite der Garnison von Wallingford am Galgen aufgeknüpft worden.
Brian hatte befohlen, die Vorräte zu rationieren, obwohl sie ausreichend versorgt waren, denn wer konnte wissen, wie lange die Belagerung anhalten würde? Er stand hier ganz allein da, war von jeglicher Kommunikation abgeschnitten, was ihn zum Wahnsinn trieb, weil seine Hauptbegabung eben in der Kommunikation lag. Nun war er auf sich selbst gestellt; Wallingford glich einer Insel im Feindesgebiet.
Die meisten sagten nichts, aber ihr Gesichtsausdruck sprach Bände. Er war innerlich zerrissen. Wenn er den Wachposten Befehle erteilte, gab er sich bestimmt und entschlossen, aber er fragte sich, ob wohl jemand ahnte, wie viele Zweifel sich hinter dieser Fassade verbargen.
Die eisige Abendluft fraß sich durch seine Kleider, und er ging ins Haus zurück, um Briefe zu schreiben, von denen er wusste, dass sie ihren Empfänger vielleicht nie erreichten, und Dokumente aufzusetzen, die wahrscheinlich nie jemand lesen würde. Doch wenn sein Geist durch den Fluss der Tinte mit dem Pergament verbunden war, kam eine innere Ruhe und Unerschütterlichkeit über ihn, und die Angst ließ ein wenig nach.
Als die Worte auf dem Bogen zu verschwimmen und seine Augen zu brennen begannen, kroch er in sein Bett und zog sich die Decken und Pelze bis zu den Ohren empor. In Gedanken schrieb er immer noch; sah vor seinem geistigen Auge immer noch die Spitze seiner Feder, die über das Pergament kratzte und Linien aus Eisengallustinte hinterließ. Er verteidigte seine Position, verteidigte Matilda. Die Feder grub sich tiefer in die Oberfläche, die Tinte wurde rot und rann dahin wie Blut von einer Schwertklinge. Von furchtbaren Visionen geplagt, warf er sich schweißgebadet hin und her. Er hörte monotonen Gesang und sah ein Schiff vor einem karminroten Himmel, der entweder den Sonnenaufgang oder den Sonnenuntergang ankündigte, die Segel hissen. Dahinter und davor erstreckte sich Einsamkeit.
Das Hämmern einer Faust gegen die Tür riss ihn aus seinem Traum. Zuerst hielt er es für das Klacken der Ruder in den Riemendollen, doch es wurde immer lauter, und plötzlich flog seine Kammertür auf. Er fuhr nach Luft ringend hoch und versuchte sich von der säuerlich riechenden Decke zu befreien, in die er sich in seinem Albtraum verheddert hatte. Verwirrt starrte er Miles FitzWalter an, der dunkel gekleidet und von Kopf bis Fuß mit Schlamm bedeckt neben seinem Bett stand.
»Wie ich hörte, braucht Ihr Verstärkung?« Miles grinste breit. Seine Zähne leuchteten in dem schmutzigen Gesicht strahlend weiß. »Es ist an der Zeit, etwas wegen dieser Türme zu unternehmen, findet Ihr nicht?«
Brian kletterte aus dem Bett und umarmte Miles herzlich – auch um sich zu vergewissern, dass er nicht nur ein Produkt seines Traums war. »Ich habe gebetet, dass Ihr kommen sollt, konnte mir aber nicht vorstellen, wann und wie Ihr das fertigbringen würdet!« Seine Stimme klang heiser vor Erleichterung.
»Hah! Es bedarf mehr als eines schwächlichen Königs und seiner aufgeblasenen Anhänger, um mich aufzuhalten!«
Brian ging in der Kammer umher, streifte seine zerknitterte Tunika über und fuhr sich durch das Haar. Dann rief er nach den
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